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Probleme mit der Ersten Hilfe

Bei Unfällen handeln statt wegschauen

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Steht das Leben eines Menschen auf dem Spiel, kann die Hilfe einer zweiten Person wahre Wunder  bewirken. Warum gerade der Erste-Hilfe-Kurs in diesem Zusammenhang so wichtig ist, haben wir uns bei einem Auffrischungskurs vom Experten erklären lassen.
Veröffentlicht:22.05.2015, 18:26

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Wissen Sie noch, wie die Rettungskette funktioniert? Oder wo sie überhaupt angewendet wird? Falls nicht, dann befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Denn laut einer gemeinsamen Studie von ADAC und Deutschem Roten Kreuz (DRK) kann nur jeder Dritte am Unfallort richtig helfen. Um die Erste-Hilfe-Kenntnisse steht es in Deutschland also nicht wirklich gut.

Gut dreiviertel der Befragten gab demnach an, zu wissen, welche Schritte einzuleiten sind, doch nur 33 Prozent von ihnen kannten dann wirklich alle erforderlichen Erstmaßnahmen am Unfallort. Das liege vor allem daran, dass der Erste-Hilfe-Kurs bei der Mehrheit schon mehr als zehn Jahre zurückliegt. „Alle zwei Jahre ist meiner Meinung nach eine Auffrischung sinnvoll, aber Pflicht ist es nur einmal, wenn der Führerschein gemacht wird“, so Gero Ambraß vom Arbeiter-Samariter-Bund Neubrandenburg (ASB). Der 43-Jährige bildet seit vielen Jahren in Erster Hilfe aus. In den Kursen sitzen hauptsächlich junge Leute, die ihre Fahrerlaubnis machen. Nur wenige kommen, um das einst gelernte noch einmal zu üben.

Ambraß bedauert, dass die Auffrischung der Ersten Hilfe keine Pflicht ist: „Leider kommen meist nur die älteren Menschen. Mit 60 Jahren steigt das Interesse, Verantwortung für den Lebenspartner zu übernehmen und diesem im Notfall helfen zu können“, sagt Ambraß. Einzig die Berufskraftfahrer hätten die Pflicht, alle vier Jahre einen Kurs zu besuchen, erklärt der Fachmann und weist darauf hin, dass sich in der Ersten Hilfe alle fünf Jahre etwas verändert, weil neue Erkenntnisse in die Rettung einfließen.

Nur wenige Minuten entscheiden über Leben und Tod

Unfälle, bei denen Erste Hilfe geleistet werden muss, sind nur in den seltensten Fällen Autounfälle. Wesentlich öfter kommt es im Haushalt, bei Sport- und Freizeitaktivitäten, in der Schule oder am Arbeitsplatz zu Notsituationen. Ist die Unfallstelle sicher – Ersthelfer müssen sich nicht selbst in Gefahr bringen – sollte die betroffene Person aus dem Gefahrenbereich gebracht werden. Ist die Person nicht bei Bewusstsein, atmet aber selbst, wird sie in die stabile Seitenlage gebracht und dann der Notruf verständigt. Fehlt die Atmung, wird erst 112 gerufen, und dann mit der Herzdruckmassage begonnen.

Zusätzlich kann ein sogenannter AED (automatisierter externer Defibrillator) benutzt werden. An vielen öffentlichen und stark frequentierten Orten, wie Rathäuser, Einkaufszentren und Flughäfen sind die mobilen Defibrillatoren bereits zu finden. Eine Pflicht dazu gibt es allerdings nicht. Die Geräte sind auch recht kostspielig – liegen im vierstelligen Euro-Bereich. Dafür sind sie aber auch wirklich kleine Lebensretter. Denn einmal aktiviert, geben sie nicht nur die überlebenswichtigen Elektroschocks, sondern sagen dem Ersthelfer auch detailliert, was wann und wie zu tun ist.

Ob solche Geräte auch für zu Hause eine sinnvolle Anschaffung darstellen, ist laut Hans-Jürgen Becker dagegen völlig offen. Der Ehrenvorsitzende der Deutschen Herzstiftung gibt zu bedenken, dass die Defibrillatoren bei einem drohenden plötzlichen Herztod im privaten Umfeld eher zu Verzögerungen beitragen. So könnte es passieren, dass nicht sofort der Notarzt alarmiert wird. Dabei ginge zu viel Zeit für die Rettung des Betroffenen verloren. Und im Notfall geht es um Minuten. Die Wahrscheinlichkeit, einen totalen Bewusstseinsverlust zu überleben, sinkt um etwa zehn Prozent pro Minute. Nach spätestens fünf Minuten treten erste irreparable Hirnschäden ein. Nach acht bis zehn Minuten ohne Reanimation ist der Patient in der Regel tot.

Mehr kompakte Auffrischungskurse erwünscht

Der frühere ADAC-Präsident Peter Meyer appelliert deshalb, regelmäßig die Erste-Hilfe-Kenntnisse aufzufrischen. „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass im Ernstfall jeder von uns auf erste, lebensrettende Maßnahmen von anderen angewiesen sein kann.“ Deshalb sei insbesondere die Politik dazu aufgerufen, für mehr Aufklärung diesbezüglich zu sorgen. Zudem sollten Hilfsorganisationen wie das DRK, der ASB oder die Deutschen-Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) mehr kompakte Auffrischungskurse auf freiwilliger Basis anbieten.

Denn nur so könne verhindert werden, dass man im Notfall hilflos dastehe. Und das kann auch rechtliche Folgen haben. Fehler beim Retten können passieren, dafür wird keiner vors Gericht gezerrt, versichert Gero Ambraß. Wer allerdings bei Unglücksfällen nicht Hilfe leistet, dem droht nach Paragraf 323c Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.