Weniger ist besser: Die Richtwerte für den Konsum von Alkohol sind in vielen Ländern einer Untersuchung zufolge zu hoch – auch in Deutschland. Eine große Übersichtsstudie zeigt, dass der Konsum von mehr als 100 Gramm reinem Alkohol pro Woche – das entspricht etwa fünfeinhalb Gläsern Wein oder 2,5 Litern Bier – die Lebenserwartung verkürzt und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigert. Das berichtet ein internationales Forscherteam, an dem auch viele deutsche Wissenschaftler beteiligt waren, im Fachblatt „The Lancet“.
In vielen Ländern liegt der wöchentliche Richtwert – also die maximal tolerierbare Menge – deutlich über 100 Gramm. In den USA gelten 196 Gramm für Männer, 98 Gramm für Frauen. In Kanada, Italien, Portugal und Spanien liegen die Werte ebenfalls höher. In Deutschland gelten nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung 140 Gramm für Männer und 70 Gramm für Frauen als tolerierbar.
Das Forscherteam analysierte nun 83 Studien aus 19 wohlhabenden Ländern, an denen fast 600.000 Menschen teilgenommen hatten. Abstinenzler waren ausgeschlossen. Die Studien erfassten die Menge des Alkoholkonsums und beobachteten die Teilnehmer mindestens ein Jahr lang nach. Bei der Datenanalyse berücksichtigten die Autoren Alter, Geschlecht, Tabakkonsum, Diabetes und andere Faktoren, die mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Zusammenhang stehen.
Erhöhte Gefahr für Herzschwäche
Die Ergebnisse: Ab einer Menge von 100 Gramm pro Woche verkürzte Alkohol bei Männern wie bei Frauen die Lebenserwartung. Zudem erhöhte der Konsum die Gefahr für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Die zentrale Botschaft dieser Forschung für die öffentliche Gesundheit lautet: Wenn Sie Alkohol trinken, kann ein geringerer Konsum Ihnen helfen, länger zu leben und Ihr Risiko für mehrere Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken“, sagt Erstautorin Angela Wood von der der britischen Universität Cambridge.
Höherer Alkoholkonsum war der Untersuchung zufolge mit einem höheren Risiko für Schlaganfall, Herzschwäche, Bluthochdruck und einem tödlichen Aorten-Aneurysma verbunden. Allerdings ging er mit einer etwas geringeren Gefahr für nicht-tödliche Herzinfarkte einher.
Großes Risiko für Brustkrebs bei Frauen
Ko-Autor Dan Blazer von der US-amerikanischen Duke University in Durham ruft Ärzte dazu auf, ihre Patienten darauf hinzuweisen. „Diese Studie hat gezeigt, dass der Konsum von Alkohol in einer Menge, die als sicher galt, tatsächlich mit einer geringeren Lebenserwartung und mehreren ungünstigen gesundheitlichen Folgen verbunden ist.“
Speziell bei Frauen birgt jeder Konsum ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs. Auch das Risiko für Mund- und Speiseröhrenkrebs ist erhöht. Cornelia Lange vom Robert Koch-Institut (RKI) betont, die Studienergebnisse sollten „als Anregung dienen, die deutschen Empfehlungen zu überprüfen und gegebenenfalls zu überarbeiten“.
Nach einer Analyse des neuen Jahrbuchs Sucht konsumieren Bundesbürger über 15 Jahre im Schnitt 10,7 Liter reinen Alkohol im Jahr. Das entspricht rund 165 Gramm pro Woche.