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Überprüfung von Photovoltaikanlagen

Den Giften in Solarzellen auf der Spur

Stuttgart / Lesedauer: 4 min

Forscher gehen Schadstoffen in Solaranlagen auf den Grund: Denn diese enthalten auch Blei oder Cadmium. Wie gefährlich ist das? Forscher der Uni Stuttgart wollen den Prozess des Austretens der Schadstoffe künftig verlangsamen oder sogar verhindern. Marco Krefting fasst die wichtigsten Fakten zusammen.
Veröffentlicht:09.02.2015, 22:19
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Welche Schadstoffe stecken eigentlich in Photovoltaikanlagen?

In der Diskussion um Schadstoffe in Solarmodulen geht es vor allem um Blei und Cadmium. Blei ist im Lötzinn enthalten. Cadmium ist als Cadmiumtellurid in bestimmten Solarzellen verarbeitet. Beide Schwermetalle können in der Umwelt eine giftige Wirkung haben.

Gibt es für diese Stoffe Richtwerte?

Die EU-Richtlinie zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten definiert Höchstkonzentrationen. Für Blei liegt der Wert bei 0,1 Prozent am Gesamtgewicht. Für Cadmium, das noch giftiger ist, bei 0,01 Prozent. Allerdings sind Photovoltaikanlagen von der Richtlinie ausgenommen.

Was wissen die Forscher schon über die Möglichkeiten eines Austritts?

Die Stuttgarter Forscher haben in einer Studie gezeigt, dass die Schadstoffe durch saure Lösungen aus defekten Modulen freigesetzt werden können. Allerdings wurden die Solarzellen dafür solange zermahlen, bis sie einem Pulver glichen. Michael Koch von der Uni Stuttgart betont, dabei habe es sich um ein „Worst-Case-Szenario“ gehandelt, also eine Annahme des schlechtesten Falls. „Von intakten Photovoltaikmodulen, die diese Stoffe verwenden, geht keine Gefahr aus“, betont eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums.

Wie realistisch ist die Gefahr jenseits des „Worst-Case-Szenarios“?

Koch betont, dass Löcher etwa durch Hagel wohl nicht ausreichten, um Schaden anzurichten. „Wir wollen nicht sagen, dass die Technologie gefährlich ist. Solange das Modul in Ordnung ist, ist alles gut“, sagt er. Unklar sind die Folgen von Feuer wie bei einem Hausbrand. Laut dem baden-württembergischen Umweltministerium ist eine Deponierung der Photovoltaikmodule grundsätzlich nicht zulässig. Sollten sie im Ausnahmefall – etwa nach einem Brand – doch auf einer Deponie landen, könnte das die Gefahr einer Auswaschung erhöhen. Allerdings seien die Deponien für Brandschutt besonders abgedichtet.

Warum interessiert die Forscher das Thema überhaupt?

Weltweit sind nach Angaben der Uni mehr als 17 Millionen Tonnen an Modulen installiert. Die Nutzungsdauer wird heute auf 20 bis 25 Jahre geschätzt. Zwar gibt es Recyclingverfahren auch seitens der Hersteller. Die Wissenschaftler sehen aber die Gefahr, dass kaputte oder weniger ertragreiche Module unsachgemäß entsorgt werden könnten: etwa nach weiterer Verwendung in Entwicklungsländern. Dort könnten sie auf wilden Müllkippen landen.

Sind in allen Solarzellen Schadstoffe verbaut?

Die meisten Hersteller verwenden laut Werner noch Blei im Lötzinn. Für Deutschland bezifferte der Bundesverband Solarwirtschaft den Marktanteil aller Dünnschicht-Technologien – von denen aber nicht alle Cadmiumtellurid enthalten – auf rund einen Prozent.

Könnten Photovoltaikanlagen auch schadstofffrei gebaut werden?

Werner sagt eindeutig: Ja. Früher angeführte Gründe wie günstigere Produktion spielten wegen des technischen Fortschritts keine Rolle mehr. Es gibt Hersteller, die bereits heute ohne Blei und Cadmium produzieren.

Was sagt die Industrie?

Beim europäischen Rücknahme- und Recyclingprogramm PV Cycle verweist man darauf, dass Photovoltaikmodule unter den Geltungsbereich der Richtlinie über Elektro- und Elektronikgeräte-Abfall (WEEE) fallen. Demnach haben die Hersteller und Importeure die rechtliche Verpflichtung, die Rücknahme ihrer Altmodule sicherzustellen. Deutschland hat bislang kein nationales WEEE-Gesetz verabschiedet, laut einer Sprecherin wird dies aber im Laufe dieses Jahres erwartet.

Will die Politik etwas an der Ausnahmeregelung ändern?

Dass Photovoltaikmodule aus dem Anwendungsbereich der EU-Richtlinie ausgenommen sind, erklärte eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums damit, dass diese „einen wichtigen Beitrag zur Erreichung sowohl der nationalen als auch der europäischen Klimaschutzziele leisten“. Auch aus abfallpolitischer Sicht erschien eine Aufnahme demnach nicht erforderlich. Es lägen keine Erkenntnisse vor, die zu einer Neubewertung der Situation führen würden.