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Religion und Alkohol

Pfarrer lässt für Kirche Bier brauen

Brüssel / Lesedauer: 4 min

Pater Jérémie predigt in Brüssel in einer verfallenden Kirche vor einer schrumpfenden Gemeinde. Bis ihm die Idee mit dem Bierbrauen kommt.
Veröffentlicht:02.11.2017, 10:33
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Adam Nowek versteht etwas von Bier. Der Blogger will rund um die Erde schon fast 3200 Sorten aus 96 Ländern getestet haben – darunter Produkte aus Malawi, Uganda oder der Mongolei. Doch was Nowek nun vor einer Kirche im belgischen Brüssel erlebt hat, war selbst für ihn Neuland: „Ich habe das umzingelt von Priestern probiert, während im Hintergrund Achtziger-Sounds liefen”, schreibt er über das Kirchen-Bier, das Pfarrer Jérémie Schaub nun vorstellte.

50.000 Flaschen Bier hat Pater Jérémie (34) produzieren lassen. Mit dem Inhalt ließe sich ein kleiner Swimmingpool füllen. Doch der Pfarrer der Gemeinde Sankt Katharinen im Zentrum von Belgiens Hauptstadt hat natürlich ganz andere Pläne: Vom Erlös aus dem Verkauf soll die Kirche renoviert werden. Von deren Wänden bröckelt stellenweise der Putz.

Doch das Renovieren ist nicht alles. „Ich will etwas für unser Viertel machen. Ich will mehr Dynamik in der Kirche und eine Beziehung zu den Menschen hier”, sagt der Geistliche, der mit Hilfe des Bieres auch die Menschen erreichen will, die nicht in seinen Gottesdienst kommen.

Belgische Biertradition

Denn auf weniges können sich Wallonen, Flamen und die deutschsprachige Minderheit so gut einigen wie auf das Nationalgetränk. In dem Land mit drei Amtssprachen, das einmal 541 Tage ohne Regierung war, weil die Koalitionsbildung scheiterte, ist der Gegensatz sonst sprichwörtlich: ein „belgischer Kompromiss” meint eine Einigung, mit der niemand glücklich ist. Bier hilft. Die UN-Kulturorganisation Unesco hat die belgische Biertradition im vergangenen Jahr sogar als immaterielles Kulturerbe anerkannt. Rund 1500 verschiedene Sorten soll es im Königreich geben.

„Ste Kat”, so der Name des Bieres in Anlehnung an den abgekürzten Gemeindenamen, soll an alte Trappisten- und Klosterbiere erinnern und trotzdem modern schmecken, sagt Schaub. Der Pfarrer wird auf dem Kirchvorplatz per Handschlag von Männern begrüßt, die auf den derzeit sehr angesagten Fixie-Bikes radeln und modischen Vollbart tragen.

Entwickelt hat der Pfarrer von Sankt Katharinen das Bier mit Hilfe eines Brüsseler Brauerei-Start-ups, das sich auf sogenannte Craft Beers spezialisiert hat. Gemeint sind handwerklich und in kleiner Auflage gebraute Biere. Am Ende stand ein helles Bier mit fruchtiger Note.

Trockener als klassisches Klosterbier

„Es ist ein bisschen trockener als ein klassisches Klosterbier”, sagt Dimitri Van Roy vom „Brussels Beer Project”. Seit Anfang Oktober wird „Ste Kat” im Kirchenshop verkauft. Zu haben ist es im Geschäft des Start-ups sowie in Cafés und Bars im Umfeld der neu-gotischen Kirche.

Doch wieviel Bier braucht es, damit die Kirche auf dem Flaschenetikett wieder zum Stadtgespräch wird, damit die Brüsseler sie wieder stärker als Wahrzeichen wahrnehmen und die Fassaden ausgebessert werden können? „Es gibt kein Limit”, sagt Schaub und lacht. „Um die Kirche zu renovieren, bräuchten wir Millionen.”

Ist das ein Modell für Deutschland? Bei der Jugendorganisation der katholischen Kirche (BDKJ), ist man jedenfalls angetan. „Biertradition und Kirche, von den Klöstern her gehört das jedenfalls zusammen”, sagt Bundespräses Dirk Bingener. Mit der Postkarten-Aktion „Triff den Papst in der Kneipe” versuche die Organisation gerade sowieso, in die Schankräume zu kommen.

Postkarten mit dem Konterfei des Papstes

50.000 Postkarten mit dem Konterfei des Papstes werden dafür bis Ende November in Kneipen ausgelegt. Aufgedruckt ist ein Link zu einer Online-Befragung: Der Papst interessiere sich für die Anliegen junger Menschen. Es ist nicht ganz der direkte Draht, den sich Schaub für seine Brüsseler Gemeinde ausmalt. Doch für BDKJ-Mann Bingener sind es zwei Seiten derselben Medaille. „Jedes Bier, das da gebraut wird, ist eine Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen, ebenso jede Postkarte”, sagt er. Wenn eine Aktion wie die von Pater Jérémie auch noch Geld für die Verschönerung einer Kirche einbringe: umso besser.

Dass Kirche und Bier gut zusammengehen, belegt aber nicht nur die Tradition der Klosterbrauereien. So gibt es in Deutschland und Belgien Formate, in denen Pfarrer nach dem Gottesdienst zum Kneipenbesuch aufrufen – beispielsweise bis kürzlich im Berliner Stadtteil Spandau und im oberbayerischen Traunreut.

Und als im belgischen Dorf Brielen die Kneipen starben, ließ der Pfarrer eine Theke in der Kirche aufbauen – Ausschank nur sonntags. Die Brieler gehen seither wieder öfter in den Gottesdienst. Eine Theke neben dem Altar ist in Brüssel trotzdem nicht geplant.