Multimillionärin

Die „rote Fini“ ließ SED-Geld verschwinden

Straßburg / Lesedauer: 3 min

Rudolfine Steindling verschob Millionen der SED, die bis heute verschwunden sind. Ein Dokudrama zeichnet die Biografie der Multimillionärin nach.
Veröffentlicht:01.06.2023, 13:01

Von:
  • KNA
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Im eleganten roten Abendkleid schreitet Rudolfine Steindling (Adele Neuhauser) die Treppe der Wiener Staatsoper herab. Die Geschäftsfrau gehört zur High Society der österreichischen Republik. An ihr führt kein Weg vorbei, wenn Geschäfte mit dem östlichen Teil Deutschlands und anderen Ländern des Ostblocks einzufädeln sind. Mit den Millionen, die sie als Vermittlerin macht, wird sie zur Mäzenin der Kunst- und Kulturszene und zur Unterstützerin sozialer Projekte.

Der Sprecher aus dem Off führt sie sofort mit jenen Attributen ein, die sie nach der Wende bekannt machten: „Das ist die Geschichte der größten Wirtschaftskriminellen des letzten Jahrhunderts. Geschäftsfrau, Kulturmäzenin und Kommunist.“ Die 52-minütige Dokumentation „Die rote Fini“ zeichnet den Lebensweg der 1934 geborenen Österreicherin nach. Gaby Schlag hat sie inszeniert; Arte strahlt sie am 1. Juni um 20.15 Uhr aus.

Für Geschäfte mit der DDR ist sie unentbehrlich. (Foto: ZDF)

Eine Aufsteigergeschichte, wie Hollywood sie liebt

Rudolfine Steindlings Biografie ist eine Aufsteigergeschichte, wie Hollywood sie liebt. Geboren wird die spätere Unternehmerin als Rudolfine Eckel in einfachen Verhältnissen. Sie wird Buchhalterin, steigt zur Prokuristin einer Bank auf, die sie 1966 nach ihrer Heirat mit dem Holocaust-Überlebenden und Resistance-Kämpfer Adolf Dolly Steindling verlässt.

Sie tritt in die Kommunistische Partei Österreichs ein – und 1966 wieder aus, als die Partei längst in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwunden war. Doch die wirtschaftlichen Beziehungen zur Partei bleiben. Steindling verwaltet deren Vermögen als Treuhänderin. Die Rolle der KPÖ in der Wirtschaftsgeschichte des Landes bleibt in der Doku ebenso wie Nachkriegsgeschichte mit der Teilung Österreichs in vier Besatzungszonen etwas schwammig.

Das große Geschäft macht Rudolfine Steindling ab 1973: Sie wird Geschäftsführerin der Novum GmbH. Über diese Firma unterhält die DDR Außenhandelsbeziehungen in den Westen und umgeht Sanktionen. Egal, ob es um ein modernes Stahlwerk in Eisenhüttenstadt geht oder eine moderne Chipfabrik – Steindling findet Wege, wie Maschinen und Rohstoffe legal oder illegal hinter den Eisernen Vorhang gelangen. So viel zur Wirksamkeit von Sanktionen, merkt ein Wegbegleiter an.

Weil die Rote Fini (Adele Neuhauser, 2.v.r.) großzügig Kultur und Sozialprojekte unterstützt, wird sie für ihre illegalen Methoden nicht bestraft. (Foto: ZDF)

Mauerfall beendet Geschäft

Schlag interviewte für ihre Dokumentation einstige führende österreichische Politiker, Mitarbeiter, Topmanager anderer Konzerne sowie Familienmitglieder. Historiker und Beschäftigte der Treuhand ordnen ihr Wirken in den historischen Zusammenhang ein. Mit dem Fall der Mauer ist das lukrative Geschäft vorbei. Die Treuhand interessiert sich für das Firmenimperium und ordnet die Guthaben auf den Konten der Firma der SED zu.

Nach jahrelangen Prozessen siegt die deutsche Regierung schließlich gegen Steindling – doch zu holen ist nichts mehr. Die Gelder hat die clevere Geschäftsfrau 2012 längst auf Konten in aller Welt verteilt. Die Geldströme können kaum nachvollzogen werden. Ein Großteil des Geldes bleibt bis heute verschollen. Das Geheimnis, wo es abgeblieben ist, hat Steindling 2012 mit ins Grab genommen.

Dieses Rätsel kann auch die Dokumentation nicht auflösen. Die zahllosen Spekulationen zum Verbleib des Geldes werden nicht erwähnt. Die Regisseurin konzentriert sich auf das Leben von Rudolfine Steindling, die selbst nur einmal zu Wort kommt. In zahlreichen fiktionalen Szenen, die die Informationen auflockern, gibt ihr die wie immer grandiose Adele Neuhauser Gestalt. Durch ihre Präsenz können Zuschauerinnen und Zuschauer darüber hinwegsehen, dass inhaltlich und beim Gendern etwas geschludert wurde.

„Die rote Fini“, Regie: Gabi Schlag, Buch: Gabi Schlag und Benno Wenz. Im Auftrag des ZDF in Zusammenarbeit mit Arte und Phoenix. Arte, Donnerstag, 01. Juni, 20.15 bis 21.10 Uhr. Hier gibt es den Film in der Arte-Mediathek.