Oper–Premiere
Dieser „Liebestrank“ schmeckt auch dem Publikum
Neustrelitz / Lesedauer: 4 min

Frank Wilhelm
Die schöne Gutsbesitzerin Adina verdreht allen Männern in der italienischen Provinz den Kopf. Der Grazie kann niemand widerstehen. Erst recht nicht, wenn die Schönheit aus der Komischen Oper „Der Liebestrank“ von Laura Scherwitzl dargestellt wird. Auch sie verzaubert jedermann wie auch die meisten Frauen im Publikum der Premiere am Freitagabend im Landestheater Neustrelitz.
Die italienischen Worte perlen wie Prosecco
Verführerisch gekleidet, leichtfüßig über die Bühne schwebend, immer ein Lächeln im Gesicht wirkt sie wie die Sonne, um die die Männer kreisen. Nicht zu vergessen natürlich Laura Scherwitzls Gesang: Wie Prosecco perlen die Worte, kraftvoll und zart zugleich, als ob Italienisch die Muttersprache der gebürtigen Wienerin wäre.
Laura Scherwitzl ragt heraus aus einem sehr guten Ensemble, das dem Publikum einen leicht und witzig inszenierten „Liebestrank“ serviert. Andrés Felipe Orozco spielt und singt den unsterblich in Adina verliebten Nemorino als naiv wirkenden, jugendlichen Briefträger in kurzen Hosen. Er hat seinen großen Auftritt mit der Arie kurz vorm im Finale, als er Zeichen der Liebe zu ihm auch bei Adina zu erkennen glaubt. Sein Konkurrent in Sachen Liebe ist der Offizier Belcore, den Robert Merwald überzeugend als großspurigen Frauenhelden darstellt.
Hat der schüchterne Nemorino wirklich keine Chance?
Der schüchterne Nemorino scheint keine Chance zu haben gegen den selbstbewussten Lebemann, der Adinas Herz erobert — na ja, besser gesagt, folgt sie eher der Vernunft, wenn sie dem gut situierten Offizier die Ehe verspricht.
Aber da ist ja auch noch Wunderheiler Dulcamara (Ryszard Kalus) mit seiner Assistentin Giannetta (So Yeon Yang), der für jedes Leid ein teures Elixier im Angebot hat. Auch einen Liebestrank für Nemorino, hinter dem sich allerdings nur ein billiger Rotwein verbirgt. Aber der Glaube versetzt schließlich Berge. Natürlich wird hier nicht verraten, für welchen Freier sich Adina letztlich entscheidet. Nur so viel: Es ist der Richtige.
Undiszipliniertes Publikum bei der Uraufführung
Der Uraufführung von Donizettis „L‘elisir d‘amore“ 1832 in Mailand wohnte auch Donizettis Komponisten–Kollege Hector Berlioz bei, der danach notierte: „Ich fand das Theater voller Menschen, die sich mit dem Rücken zur Bühne in normaler Lautstärke unterhielten. Unbeirrt gestikulierten und brüllten sich die Sänger im reinen Geist des Wettbewerbs die Seele aus dem Leib.“
Solche Reaktionen mussten Regisseurin Barbara Schöne und ihre Ausstatterin Jeannine Cleemen nicht fürchten. Schon nach den ersten Minuten gab es Szenenapplaus, danach immer wieder, was nicht allein an der musikalischen Leistung der Solisten, des Opernchores und der Neubrandenburger Philharmonie unter der Leitung von Daniel Klein lag.
Barbara Schöne setzte einige schöne Ideen um, die für Kurzweiligkeit sorgten: So befand sich der spielfreudige Chor fast die ganze auf der Bühne. Gekleidet in quietschbunten Phantasiekostümen, ausgestattet mit waghalsigen Frisuren erinnerte die Szenerie eher an einen Karneval, an eine moderne Travestieshow als an schnödes Dorfleben.Ein wahrer Augenschmaus.
Aktuelle Anspielungen in der Kulisse sind dezent
Auch die Kulisse überrascht immer wieder, etwa wenn für „Purex gefühlsecht“ geworben wird oder Dulcamara für sein Zauber–Elixier mit Rabattpreisen im „Sale“ wirbt. Die dezent gesetzten aktuellen Anspielungen mit Schmunzeleffekt erinnern uns daran, dass genauso wie zu Donizettis Zeiten auch heute nicht immer allein „die wahre Liebe“ ausschlaggebend ist, sondern Frau oder Mann auch mit anderen „Qualitäten“ wie sozialer Stand und Reichtum Pluspunkte sammeln können.
Viel zu viele Plätze bleiben wieder leer
Genial auch, wie Barbara Schöne die Figur des Dulcamara weiter entwickelt. Im Original wird er als reisender Arzt, als Quacksalber beschrieben. In Neustrelitzer Bühne tritt er begleitet von der Ouvertüre als Mediziner auf, der Spaß daran hat, mittels Blutentnahme am Menschen zu experimentieren. Das Blutdoping lässt grüßen. Gekleidet in ein güldenes Gewand ist er ein Mephisto, der mit den Hoffnungen der Menschen auf Liebe und immerwährende Gesundheit spielt, ein Marionettenspieler, der das Geschehen in die gewünschte Richtung lenkt.
Langer Applaus und Bravorufe belohnen das Ensemble bei der Premiere für eine runde, unterhaltsame Leistung auf hohem Niveau. Schade nur, dass erneut bei einer so aufwendig produzierten Musiktheater–Inszenierung zu viele Sitze freiblieben.
Weitere Aufführungen am Landestheater Neustrelitz: 27. Mai, 2. und 16. Juni jeweils um 19.30 Uhr