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Wahre WM-Helden: Fußballer der Seenplatte

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Wie bitte?! Unsere Fußball-Region hat bei WM keine Stollen-Abdrücke hinterlassen? Irrtum: Hiesige Kicker mischten durchaus beim großen Balla-Balla mit.
Veröffentlicht:27.06.2014, 17:07

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Sage keiner, unsere beschauliche Fußball-Heimat hätte nicht die Spur WM-Geschichte aufzuweisen. Von wegen, wir haben! Wenn auch über x Ecken. Brasiliens Baller-Boom verleitet derzeit zu Erinnerungen, und die legen bekanntlich mit den Jahrzehnten an Ruhmreichtum zu.

Moment! Warum in Vergangenem kramen?! Die TSG Neustrelitz hat live einen Vertreter am Zuckerhut dabei. Um ganz ehrlich zu sein, war der – es handelt sich um Lutz Pfannenstiel – im Herbst 2005 nur wenige Tage in Neustrelitz präsent und dann gleich wieder weg, gen Neuseeland. Ein Beinahe-TSGler also.

Lutz Pfannenstiel gilt als der Fußball-Wandervogel schlechthin. Der Ex-Torwart steht sogar im Guinnessbuch der Rekorde, weil er einst alle Kontinente bespielte. Beim Balla-Balla in Brasilien ist der mittlerweile 41-Jährige zuletzt für die ZDF-Reportage „Kick it like Dante“ zugange gewesen.

Dem Verfasser dieser Zeilen wird ein Gespräch mit Pfannenspiel unvergesslich bleiben, weil er ob der ausgefeilten Mundart des Niederbayern nur die Hälfte davon verstand. Die andere war immer noch gut gespickt mit Globetrotter-Unglaublichkeiten (Knast, Wettmafia etc). Sehr unterhaltsam!

Rivalen-Tradition verpflichtet: Wenn Fußball-Neustrelitz WM-mäßig etwas zu bieten hat, will Fußball-Neubrandenburg nicht nachstehen. Muss es auch nicht! Hier haben schließlich eine Sommermärchen-Figur von 2006 und zwei 1974er Heroen ihre Stollen-Abdrücke hinterlassen.

Tim Borowski sorgte während der heißen Heim-WM vor acht Jahren für bollestolze Neubrandenburger. Weil die „Wade der Nation“ von Michael Ballack zunächst muckerte, wurde „unser Timmi“ zunächst sogar als Stammregisseur in Klinsis Wunder(tüten)-Elf gehandelt. Es kam anders. Immerhin: In sechs der sieben Kicks hatte Borowski Einsatzzeiten.

Der war als Teenager des Fußballs wegen vom Tollensesee an die Weser nach Bremen gewechselt und dem SV Werder – bis auf ein verkorkstes Bayern-Jahr – treu.

Einer der 1974-Teufelskerle ist Gerd Kische. Die Älteren entsinnen sich dieser Verteidiger-Kompaktausgabe. Ein unbequemer Typ für Gegenspieler, auch im richtigen Leben. Der kam als Junge aus seiner Geburtsstadt Teterow zum Leistungszentrum des DDR-Bezirks Neubrandenburg. Zur BSG Turbine, die dann SCN wurde, dann BSG Post Neubrandenburg. Noch als Viertorestädter wurde der fixe Blonde mit der Junioren-Nationalauswahl 1970 Europameister und wechselte prompt zu Nord-Krösus Hansa Rostock.

Sein Aufstieg und Fall, Wiederaufstieg und Wiederfall beim Koggen-Klub sind Legende. Zur illustren Story gehört, dass Kische anno 1974 in der Bundesrepublik alle sechs WM-Partien für die dort so genannten „Ostzonen“-Kicker bestritt und im Hamburger Spektakel-Spiel gegen den Ausrichter dem Stürmer Heinz Flohe Albträume bescherte. Übrigens: Nach seinem unfreiwilligen Hansa-Abschied 1981 und einigem Wirrwarr spielte Kische noch eine Saison in Neubrandenburg. Eine selbst im milden Nostalgie-Rückblick noch peinliche Angelegenheit.

Lieber zurück zu unserem WM-Heldentum: Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist einem jungen Fußballer auf Neubrandenburger Hartplätzen beigebogen worden, wie man den langen Pass schlägt, der zum Tor-Stoß ins Herz des Klassenfeindes führt. Der das konnte, heißt Erich Hamann. Ein Pasewalker, als Jugendlicher in die Viertorestadt geschickt, um sie als Mann in Richtung Eisenhüttenstadt und Frankfurt/Oder wieder zu verlassen. Seine Länderspiel-Karriere ist mit drei Einsätzen für die DDR-Kampfgruppe zwar überschaubar, doch innerdeutsche Sportgeschichte: Es war Einwechsler Hamann, der vor 40 Jahren in bewusstem Ost-West-Prestigeduell entscheidend Jürgen Sparwasser bediente, der dann das berühmte 1:0 gegen die Gastgeber-Stars à la Beckenbauer zauberte. Sparwasser sagte: „50 Prozent des Tors gehören Erich Hamann.“ Recht hat er! Da die Bundesadler-Elf diesen Aufrüttler benötigte, um später den Titel abzugreifen, darf man sagen: Ein Quasi-Neubrandenburger hatte den kleinen Finger mit am Pott.

Ehe Gleichstellungsbeauftragte auf die Barrikaden gehen, sei versichert: Nein, es ist nicht vergessen worden, dass Neubrandenburg eine wirklich wahre Fußball-Weltmeisterin hat. Viola Odebrecht, waschechte Viertorestädterin. Sie gehörte als 19-Jährige zum Kader der deutschen Nationalmannschaft, die 2003 das Ding gewann. Zudem gab es zwei Champions-League-Triumphe mit Turbine Potsdam und dem VfL Wolfsburg sowie deutsche Titel satt. Und wo fing sie als lüttes Mädel an mit der Bolzerei? Beim SV Nagema, der Wiege des Neubrandenburger Frauen-Fußballs. Dann ging‘s vom PSV 90 weiter nach Potsdam. Eine Top-Karriere startete.