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Banken und Sparkassen

Strafzinsen erreichen MV und Brandenburg

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

In unsicheren Zeiten wird mehr gespart, die Banken kassieren kräftig mit. Immer öfter sind auch Stammkunden betroffen. Bei denen darf allerdings nicht einfach so ein „Verwahrentgeld“ erhoben werden.
Veröffentlicht:05.11.2020, 06:16

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Viele Deutsche legen mehr Geld auf die hohe Kante und müssen dafür immer mehr zahlen. Die Zahl der Banken und Sparkassen, die Strafzinsen auf Guthaben ihrer Kunden verlangen, ist nach der ersten Corona-Welle drastisch gewachsen. Laut einer Branchenübersicht des Finanzportals biallo.de verlangen inzwischen mehr als 300 von insgesamt 1300 Banken und Sparkassen ein so genanntes „Verwahrentgeld“, darunter auch rund 240 von privaten Kunden. Mitte 2019 hatten laut einer Umfrage lediglich rund 30 Banken eine solche Gebühr verlangt.

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Unter den betroffenen Instituten befinden sich den Angaben zufolge auch viele kleine Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Meist werden 0,5 Prozent verlangt, wenn Geld auf Girokonten parkt. Allerdings gelten laut einem Marktüberblick unterschiedlich hohe Freigrenzen. Auslöser ist die Niedrigzinsstrategie der Europäischen Zentralbank, die von den Banken für deren Einlagen 0,5 Prozent Strafe kassiert. Damit sollen die Banken animiert werden, mehr Geld für Kredite zur Verfügung zu stellen.

Oft gilt die Freigrenze von 100.000 Euro

Auch in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sind zunehmend Privatkunden von den Strafzinsen betroffen. So etwa bei Deutscher Bank, Postbank oder Commerzbank. Gilt hier meist die Grenze von 100.000 Euro, bei der in Berlin ansässigen Spardabank können laut eigenen Preisangaben sogar schon ab 25.000 Euro 0,5 Prozent fällig werden. Dazu kommen die Volks- und Raiffeisenbanken Fürstenwalde, Spree-Neisse, Ostprignitz. In Mecklenburg-Vorpommern verlangt seit Anfang Oktober die Volksbank Vorpommern mit Sitz in Wolgast ein „Verwahrentgeld“ in Höhe von 0,5 Prozent ab 100 000 Euro von allen Kunden.

Waren anfangs oft Neuanleger mit Strafzinsen konfrontiert, geraten zunehmend auch Stammkunden ins Visier der Bankenchefs. Allerdings muss dann die Genehmigung eingeholt werden. Diese Rechtsauffassung werde auch auch der Volksbank Vorpommern angewendet, bestätigte Vorstandssprecher Michael Hietkamp auf Nachfrage. Von den rund 40.000 Kunden der Bank seien 600 mit einem Guthaben von über 100.000 Euro betroffen. „Wir versuchen den betroffenen Kunden verschiedene Varianten vorzustellen, um das zumindest teilweise umgehen zu können“, so Hietkamp. Werde jedoch keine Zustimmung erteilt, könne am Ende der Vertrag gelöst werden.

Wie Hietkamp weiter berichtete, habe die Volksbank Vorpommern im vergangenen Jahr ihrerseits rund 100.000 Euro an die EZB für die Aufbewahrung des Geld überweisen müssen. „In diesem Jahr haben wir diese Summe bereits in den ersten sechs Monaten aufgebraucht“, vergleicht er. Dazu sei es auch deshalb gekommen, weil die eigenen Kunden verstärkt Geld auf ihre Konten überwiesen haben.

Banken und Sparkassen haben Spielraum

Unterdessen weisen Marktbeobachter darauf hin, dass die Freigrenzen für Rücklagen generell Schritt für Schritt sinken. Außerdem würden öfter nicht mehr nur Fremdkunden sondern auch die eigenen Kunden mit Strafzinsen gedrängt, anderen Anlageformen zu suchen. Zugleich bemängeln Verbraucherschützer, dass die „Verwahrentgelte“ nur versteckt oder gar nicht veröffentlicht werden. Nicht so bei der Volksbank Vorpommern: Hier werden die Gebühren in der Preisliste korrekt ausgewiesen.

Allerdings haben die Banken und Sparkassen Spielraum, wie sie mit den Kontoinformationen umgehen. Den Rahmen gibt die Bankenaufsicht Bafin vor. Auf der 18 Punkte umfassenden Liste der „repräsentativsten mit einem Zahlungskonto verbundenen Dienste“ sind die „Verwahrentgelte“ nicht aufgeführt. Die Aufstellung der Pflichtinformationen stammt aus dem Jahr 2018, als es die Strafzinsen faktisch nicht gab. Die nächste Überarbeitung steht 2022 an.

Nach Bundesbank-Berechnungen stieg das Geldvermögen der privaten Haushalte im zweiten Quartal 2020 auf den Rekordwert von rund 6630 Milliarden Euro. Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) geht davon aus, dass die Sparquote 2020 in der Corona-Krise auf den Rekordwert von rund 15 Prozent nach oben schnellen wird. Die privaten Haushalte würden also von 100 Euro verfügbarem Einkommen etwa 15 Euro zurücklegen. 2019 waren es 10,9 Prozent.