Die Kollegen von Andreas Mengel in der Ferdinandshofer Wohnungsgesellschaft freuen sich schon. Nicht nur auf das Landeserntedankfest am kommenden Wochenende, das in ihrer Gemeinde stattfindet. Darauf sowieso. Aber danach haben sie den Vorsitzenden des Kulturausschusses in der Gemeindevertretung endlich wieder für sich. „Stimmt schon“, sagt der Mann, „die Vorbereitung auf die Veranstaltung hat viel Zeit gekostet, auch manchmal tagsüber“.
Stargast Ross Antony: Aus London nach Ferdinandshof
Davon kann auch Jörg Radtke ein Lied singen. Der Vize-Bürgermeister von Ferdinandshof verdient seine Brötchen in der Metallbaufirma Muskowitz. Und auch bei ihm haben sich ehrenamtliche Arbeit für die Gemeinde und der Job ein bisschen vermischt. Radtke ist verantwortlich für den kilometerlangen Festumzug mit allem Drum und Dran und Mengel ist der Chef auf dem Festplatz. Da darf er auch den bekannten deutsch-britischen Musiker und Entertainer Ross Antony begrüßen. „War der nicht auch bei der Beerdigung der Queen?“, fragt Mengel. Aus London nach Ferdinandshof.
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„So muss das auf dem Dorf sein“, legt Ferdinandshofs Bürgermeister Gerd Hamm (CDU) fest und meint den Zusammenhalt. Auf dem Land müssten Gemeinde und Betriebe dicht zusammenstehen und gerade vor einer solchen Riesenaufgabe, ein Landeserntedankfest, ginge es auch gar nicht anders. Und nur, weil Hamm und seine Gemeindevertreter sich dessen sicher sein konnten, habe sich ihr Dorf als Ausrichter beworben. Nicht zum ersten Mal, im dritten Anlauf hat das aber endlich geklappt.
Die ersten sind schon durch, die letzten noch gar nicht losmarschiert
Die große Feier zum Abschluss der Ernte im Nordosten geht immer abwechselnd in den Landesteilen Mecklenburg und Vorpommern über die Bühne. Da sitzt nicht nur der Erntetedankfest-Stammgast und ewige Agrarminister Till Backhaus (SPD) auf dem Kutschbock, traditionell besucht auch seine Parteifreundin, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, die Veranstaltung, wo sich alles trifft, was in der Landwirtschaft des Landes Rang und Namen hat. Bürgermeister Hamm rechnet mit 10- bis 15 000 Besuchern am kommenden Wochenende in seinem Dorf.
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Dutzende Freiwillige, eingeteilt in vier Gruppen, besorgen die Vorbereitungen und kümmern sich um alles. Festumzug-Chef Radtke klappt eine Karte auf, in der die genaue Reihenfolge und die Plätze der Umzugsmitwirkenden aufgeschlüsselt sind. „Das ändert sich praktisch noch täglich“. 43 Traktoren sind dabei und mehr als 40 Pferde. 2,7 Kilometer lang ist der Zug, hat der Metallbauer alles addiert – die Laufstrecke misst aber nur zweieinhalb Kilometer. „Das bedeutet“, sagt Radtke, „die ersten sind schon durch und können ein Bier trinken, da sind die letzten noch nicht losmarschiert“.
Aushängeschild für die Landwirtschaft
Bürgermeister Hamm bleibt grundoptimistisch. Denn unüberlegt war die Bewerbung Ferdinandshofs um das zentrale Erntedankfest beileibe nicht. „Ferdinandshof und die Landwirtschaft, das gehört zusammen.“ In dem Dorf inmitten der im Sozialismus urbar gemachten Friedländer Großen Wiese steht immerhin noch Europas größte Rindermastanlage, den Titel trug der Betrieb schon zu DDR-Zeiten. In dem Agrarbetrieb, den der Bayer Alexander Osterhuber Mitte der 1990-Jahre gekauft hatte, stehen heute mehr als 20 000 Bullen, so der Bürgermeister. „Ohne die Landwirtschaft geht hier gar nichts“, so Hamm und deshalb passe es schon mit dem Landeserntedankfest.
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Zumal die Gemeinde auch über den nötigen Platz für die tausenden Besucher verfügt. Und über das notwendige Geld, „unseren Sponsoren von nah und fern sei Dank“, freut sich der Bürgermeister. Aus Schwerin gab es 10 000 Euro, den „Rest“ hat die Gemeinde organisiert und das große Ziel ist, am Ende kein Minus in der Kasse beklagen zu müssen. Dieses Vorhaben wäre gescheitert, wenn man, wie geplant, die Band „Karat“ nach Ferdinandshof geholt hätte. „Die waren aber zu teuer“, winkt der Bürgermeister ab.
Stroh, Kühe und eine künstlerische Ader
Schon einige Kilometer südlich, an der Bundesstraße 109, betreiben die Gastgeber Werbung für die große Fete. Riesige Lindwürmer aus Stroh und Kunststoff laden ein nach Ferdinandshof, im Dorf stehen lustige Kühe an der großen Straße. „Bauer und Bäuerin aus Stroh, so wie immer, haben ausgedient“, glaubt Petra Döhler, die Chefin der Alwi Agrar GmbH im benachbarten Altwigshagen. Hier waren die Leute unter anderem zuständig für die Werbefiguren aus Stroh und schon vor Monaten hat der Betrieb etwas für die Freundlichkeit getan und rund um Ferdinandshof an seinen Ackerrändern Streifen mit Sonnenblumen angebaut.
Die Wimpelketten hängen schon dank der Technik aus Altwigshagen und bis zum Schluss hat sich Petra Döhler das Binden der Strohsträuße für den Altar aufgehoben. Das will sie selbst machen, die studierte Geschäftsführerin verfügt über eine „künstlerische Ader“, lässt sie wissen. Gerade ist wieder im Landwirtschaftsverlag ein Buch erschienen darüber, was die Dörfer einst zusammenhielt, und dafür hat Döhler erneut eine Geschichte geschrieben. Die Frau, aufgewachsen in Ferdinandshof, macht sich auch ernste Gedanken. Ob es wohl richtig sei, jetzt, da Krieg herrscht in Europa und einige Hundert Kilometer östlich von Vorpommern Menschen sterben, hier ein großes Fest zu feiern.
200 Stunden Arbeit stecken in der Erntekrone
In Ladenthin an der polnischen Grenze laufen auch schon Arbeiten für das große Fest. Dort binden Landfrauen aus der Uecker-Randow-Region die Erntekrone für das 31. Landeserntedankfest. Bereits im Juli wurde das Getreide dafür in Krugsdorf, Bergholz und Ramin geerntet. In Absprache mit dem Bauernverband und den Landwirten vor Ort konnten die Halme geschnitten und gelagert werden. Mit einem Durchmesser von 70 Zentimetern und einer Höhe von 1,20 Meter werden am Ende etwa 200 Stunden ehrenamtlicher Arbeit in der traditionell gefertigten Erntekrone stecken.
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Gerd Hamm, Gemeindeoberhaupt seit 2014 und seit Jahrzehnten auch der Chef des Landesschützenverbandes in Mecklenburg-Vorpommern, weiß um die Tücken, die bis zum Start im Detail stecken können. Gerade hat noch der Mann abgesagt, der mit seiner Lasershow den nächtlichen Himmel über Ferdinanshof erstrahlen lassen wollte. Kultur-Chef Mengel, der nur kurz die Nerven verlor, hat aber Ersatz organisieren können.
„Ach, was“, beruhigt der Bürgermeister die Gemüter, „klappt schon alles“. Ihn könne so schnell nichts aus der Ruhe bringen, verrät er. Schließlich habe er vor Jahren in Neubrandenburg schon ein bundesweites Treffen aller Schützenverbände auf die Beine gestellt. „Das“, sagt der Bürgermeister, „war wirklich ein hartes Stück Arbeit“.