Seit 30 Jahren ist der kleine Bahnhof Barth ein sogenannter Kopfbahnhof. Vor seinem Prellbock endet jede Zugfahrt. Doch seit Dienstag gibt es ein sichtbares Signal dafür, dass hier in den nächsten Jahren wieder deutlich mehr Leben in das ewig leerstehende Bahngebäude einziehen wird.
Denn in seinem Erdgeschoss hat die Usedomer Bäderbahn (UBB), die Barth täglich bis zu 17 Mal von Velgast aus anfährt, eine kleine Reiseagentur eröffnet. Fortan gibt hier UBB-Mitarbeiterin Antje Segebarth den Reisenden der lange Zeit vom Bahnnetz getrennten Region nicht nur gewünschte Auskünfte über optimale Anschlüsse zum Nah- und Fernverkehr, sondern auch über aktuelle Reiseagentur-Angebote .
„Wir hoffen, dass ab Ostern 2021 die Corona-Pandemie endlich wieder eine einigermaßen normale Tourismussaison erlauben wird“, sagt UBB-Geschäftsführer Jörgen Boße. Längerfristig setze sein Unternehmen sogar darauf, dass künftig deutlich mehr Bahngäste in die Region reisen werden als in all den Jahren bisher.
Wann fährt die Darßbahn wieder?
Dass aus dieser Vision in den nächsten Jahren Wirklichkeit wird, daran arbeiten jetzt Projektanten des neuen Darßbahn-Planungsbüros, das ebenfalls im Bahnhof Barth seine Arbeit aufgenommen hat. Sie sollen umsetzen, was Bund und das Land Mecklenburg-Vorpommern zu Jahresbeginn entschieden hatten – die Wiederbelebung der Darßbahn, die vor genau 110 Jahren eingeweiht und nach dem Zweiten Weltkrieg eingestellt worden war. Auf schätzungsweise 115 Millionen Euro werden sich die Kosten für die Widerherstellung der 30 Kilometer langen Bahnstrecke von Velgast bis nach Prerow belaufen. Allein für den Bau der neuen Meiningenbrücke wurden 50 Millionen Euro veranschlagt. Ein Drittel davon übernimmt das Bundesverkehrsministerium.
Bis die Bahn wieder zur Halbinsel Zingst rolle, werde es vermutlich bis tief in die 2020er Jahre dauern, sagt Mecklenburg-Vorpommerns Infrastrukturminister Christian Pegel (SPD). Doch immerhin würden inzwischen die ersten Planfeststellungsverfahren laufen. Noch immer gebe es zwar Widerstand einiger Bürgermeister der Region, die Autostaus vor Bahnübergängen und der Meiningenbrücke befürchteten. Dennoch setze die Landesregierung auf eine günstige Erschließung der beliebten ostdeutschen Urlauberregion durch die Bahn, sagt Pegel. „Schon 2021 könnten die ersten Arbeiten am Streckenabschnitt zur Brücke bei Bresewitz beginnen, bevor das Projekt dann Stück für Stück bis nach Zingst und Prerow wachsen wird.“
Kritik am Winterfahrplan der Bahn
Die Darßbahn sei ihm seit jeher ein persönliches Anliegen, versichert der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn AG für Mecklenburg-Vorpommern, Joachim Trettin. Denn die Halbinsel gehöre zu den Top-Touristenregionen in Deutschland, da sei es nur folgerichtig, wenn die Bahn hier investiere.
Weniger Lob als für dieses Zukunftsprojekt erntet die Bahn dagegen dieser Tage aus Greifswald. In einem Brief an die Konzernleitung hat Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Grüne) die geplanten Fahrplanänderungen zum Winterfahrplan kritisiert.
Denn zum Fahrplanwechsel am 13. Dezember wolle die Bahn künftig aus Gründen der gesunkenen Auslastung durch die Corona-Pandemie auf ein Zugpaar im Fernverkehrs von Stralsund über Greifswald und Neustrelitz nach Berlin verzichten. Auch die erst vor wenigen Jahren erstrittene und einmal täglich verkehrende ICE-Verbindung nach München werde künftig in Berlin enden, protestiert Fassbinder. Nachdem bereits 2005 ein Großteil des Eisenbahnfernverkehrs gestrichen worden sei, drohe die Bahnstrecke in Vorpommern nun in die Bedeutungslosigkeit zu versinken. „In der Klimakrise auf eine massive Streichung der Fernverkehrsverbindungen zu setzen und die Attraktivität der Bahn in der Fläche weiter einzuschränken, ist in völlig falsches Signal!“