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Wenn Papa im Gefängnis ist - 1500 Kinder in MV betroffen

Neustrelitz / Lesedauer: 4 min

Kinder leiden besonders, wenn ein Elternteil im Gefängnis sitzt. Allein in MV sind etwa 1500 Kinder von der Haft eines Elternteils betroffen - bundesweit sind es rund 100.000.
Veröffentlicht:24.12.2019, 13:58
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Die kleine Luisa kennt ihren Vater nur innerhalb grauer Betonwände mit Stacheldraht. Sie war gerade ein Jahr alt geworden, als er von zu Hause von der Polizei abgeführt wurde – wegen Drogenhandels, mit dem er seine Sucht finanziert hatte.

Dieses Beispiel erzählt Justina Dzienko vom Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern zu Beginn ihrer inzwischen regelmäßigen Vorträge über Kinder mit einem Elternteil – meist ist es der Vater – im Gefängnis. „Für sie ist es besonders schwer”, sagt Dzienko. „Sie verstehen oft nicht, was das für ein Ort ist, an dem der Papa gerade lebt, und warum er sie nicht besuchen kommt.” Hinzu komme oft Ausgrenzung in der Schule und Geldknappheit in der Familie, weil ein Einkommen wegfällt.

Kinder brauchen Schutz

Das Schicksal dieser Kinder spielt im Justizvollzug bislang höchstens am Rande eine Rolle. „Wir haben da in Deutschland Nachholbedarf”, räumt Dzienko ein. Das beginne bei kleinen Dingen wie einem Wickeltisch – in einer JVA keine Selbstverständlichkeit – und reiche bis zu einer Veränderung bei den bisher sehr kurzen Besuchszeiten von mitunter nur zwei Stunden im Monat. Sie lägen zudem oft am Vormittag, wenn die Kinder in der Schule sind. Die Entfernungen zur Justizvollzugsanstalt können mehrere Stunden betragen, in manchen Einrichtungen darf der Inhaftierte nicht berührt werden.

Bundesweit sind Schätzungen zufolge rund 100 000 Kinder von der Haft eines Elternteils betroffen, allein in Mecklenburg-Vorpommern etwa 1500. „Man geht davon aus, dass auf sechs Inhaftierte zehn Kinder im Alter bis zu 18 Jahren kommen”, sagt Dzienko. Besonders schlimm: Rund ein Viertel dieser Kinder geraten nach Ministeriumsangaben später selbst mit dem Gesetz in Konflikt oder werden inhaftiert. „Kinder brauchen unseren umfassenden Schutz”, betont deshalb Mecklenburg-Vorpommerns Justizministerin Katy Hoffmeister (CDU).

Situation verbessern

Dzienko beruft sich auf die UN-Kinderrechtskonvention, die jedem Kind Umgang mit seinen Eltern garantieren soll. Zudem hat der Europarat eine Empfehlung mit 56 Punkten für den Umgang mit Kindern inhaftierter Eltern verabschiedet. Die gilt es umzusetzen.

Vor eineinhalb Jahren startete Hoffmeister eine Initiative in der Justizministerkonferenz, um die Situation zu verbessern. Der Abschlussbericht ist gerade beschlossen worden. Er nennt Vorschläge und beispielhafte Projekte, die möglichst Standard werden sollen: An der JVA Wittlich in Rheinland-Pfalz haben Ehrenamtliche einen Raum eingerichtet, in dem Angehörige die Wartezeit auf einen Besuch verbringen, ihre Kinder versorgen und reden können. Dort werden die Kleinen auch betreut, wenn die Mutter den Besuch zu einem Gespräch unter vier Augen nutzen will. In Niedersachsen besteht in einigen Anstalten Skype-Telefonie, um familiäre Kontakte aufrechterhalten zu können.

Kochkurse für Väter

In einer JVA in Bayern werden viermal im Jahr Eltern-Kind-Tage mit Sport und Spiel in der Anstaltsturnhalle und gemeinsamem Mittagessen veranstaltet. In einer hessischen Anstalt gibt es Kochkurse für Väter, in Stralsund und Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern Gespräche über Kinder und ihre Bedürfnisse.

Außerdem gibt es in Neustrelitz die bundesweit einzige Mutter-Kind-Station in einem Jugendgefängnis. In der JVA Waldeck bei Rostock haben Justiz- und Sozialministerium des Landes ein Projekt zur Stärkung der Vater-Kind-Beziehung ins Leben gerufen. Dabei werden Kinder auf den Besuch in der JVA vorbereitet, Väter erlernen Erziehungskompetenzen. Im Justizvollzug Hessen gibt es eine Kiste mit Erklär-Bilderbüchern zum Thema Haft, die Titel tragen wie „Zebra hinter Gittern” oder „Wie Schokopudding und Spaghetti”.

Veränderungen angestrebt

Das Land Mecklenburg-Vorpommern will vorangehen. Es hat mit der Ausbildung von Familienbeamten begonnen, die besonders für die Bedürfnisse von Kindern und Angehörigen geschult werden, sagt Dzienko. Ministerin Hoffmeister ergänzt: „Die Besuchszeiten wollen wir künftig vorrangig an den Bedürfnissen der Kinder, nicht der JVA orientieren.” Ziel sei es, mehr dem Alltag eines Kindes gerecht zu werden. Um dem Nachwuchs die Situation zu erklären und sie auf einen Besuch in der JVA vorzubereiten, gibt es verschiedene Angebote im Internet. In Mecklenburg-Vorpommern finden sich auf den Webseiten der Justizvollzugsanstalten die Links, darunter zur „Sendung mit der Maus