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Parteitag

AfD kürt Leif-Erik Holm zum Spitzenkandidaten

Kemnitz / Lesedauer: 7 min

Die AfD wird in MV mit Leif-Erik Holm als Spitzenkandidat in den Bundestagswahlkampf ziehen. Holm setzte sich gegen zwei Gegenkandidaten durch. Auf dem Parteitag herrschte zwischenzeitlich Chaos.
Veröffentlicht:15.05.2021, 13:56

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Dass AfD-Landessprecher Leif-Erik Holm beim Parteitag im vorpommerschen Kemnitz unter Druck gerät, hatten viele Beobachter erwartet. Am Samstagmittag bestimmten die Mitglieder der Partei über ihre Landesliste für die Bundestagswahl. Holm forderte dabei für sich erneut den Spitzenplatz. Er sitzt seit 2017 im Bundestag, gehört dort zum Fraktionsvorstand. Doch der langjährige Chef der AfD in MV ist an der Parteibasis schon lange umstritten.

Offenes Misstrauen gegen den Vorstand

Nach rund zwei Stunden Parteitag wurde klar – Holm bekommt offene Konkurrenz um die Spitzenkandidatur von zwei Parteimitgliedern. Darunter Andreas Mrachacz, der als Direktkandidat im Wahlkreis 13 (Grevesmühlen, Bad Doberan, Wismar) antritt, und Siegfried Klein, Chef eines Handwerksbetriebs auf der Insel Rügen und bereits als Direktkandidat für den Landtag nominiert.

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Holm betont seinen Kurs als Real-Politiker

Holm betonte in seiner Bewerbungsrede die Bemühungen der vergangenen Jahre, die AfD mit sachpolitischen Themen in die Öffentlichkeit zu bringen. „In der Fraktion läuft alles bestens. Und ich bin wirklich stolz darauf“, sagte er. Es gehe nun darum „noch mehr nach vorne zu gehen, mit konkreten Alternativen zur völlig verkorksten Politik.“ Unter anderem müsse Deutschland sich besser auf kommende Pandemien vorbereiten. Deutschland müsse wieder souverän werden. Applaus gab es für Holm energisch – aber längst nicht von allen Plätzen im Saal. Nach Selbstkritik gefragt, nannte Holm „technische Punkte“. Man habe am Anfang Erfahrung bei einigen parlamentarischen Abläufen sammeln müssen. Die Fraktion habe aber vorbildliche Geschlossenheit gezeigt.

Gegenkandidat von der Insel Rügen

Unternehmer Siegfried Klein bezeichnete sich selbst als „Schrecken der Altparteien“ in der Stadtvertretung von Binz. Dort würden andere gewählte Politiker „vor ihm zittern“. Klein holte auch zur Kritik an Medien aus. Die Öffentlichkeit werde manipuliert und belogen. Der 61-Jährige führt einen Handwerksbetrieb, engagiert sich seit gut weit Jahren in der AfD und ist Sprecher des Kreisverbandes Vorpommern-Rügen. Klein äußerte in seiner Bewerberrede auch deutliche Kritik am Landesvorstand. Dort säßen einige, die seit Jahren Streit in die Partei tragen, um ihre eigene Macht und damit die gut bezahlten Mandate in Parlamenten zu sichern.

Andreas Mrachacz, Pathologe im Ruhestand, bezeichnete seine Kandidatur als „Angriff auf den Landesvorsitzenden“. Er sei überzeugt, dass der Streit um solche Kandidaturen der Partei gut tue. Im Streit zwischen den Flügeln der AfD im Land sei er ohne Vorbelastung und könne zusammenführen. Mrachacz warnte davor, dass „die gewachsenen Kulturen, die gewachsenen Völker in einen Einheitsbrei verwandelt werden“ und bezog sich anschließend auf eine Reihe von Verschwörungstheorien. Das Weltwirtschaftsforum plane einen „Great Reset“, um den Menschen weltweit eine Lebensweise vorzuschreiben. Die Corona-Krise sei möglicherweise Teil einer solchen Bestrebung von Mächten aus Politik und Wirtschaft. Das Volk begehre dagegen auf, die AfD müsse sich aber stärker als bisher zu Bewegungen „auf der Straße“ bekennen und an Protesten beteiligen.

Zum Schluss seiner Rede erhob Mrachacz direkte Vorwürfe gegen Leif-Erik Holm, weil der ungenehme Parteifreunde in der Öffentlichkeit diskreditiere.

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Nervosität bei der Abstimmung

Wie knapp die Mehrheitsverhältnisse und wie nervös die unterschiedlichen Lager waren, zeigte sich schon an der längeren Debatte im Vorfeld der Kandidatenvorstellung über Formalien des Wahlverfahrens und der Stimmauszählung. Der Parteivorstand hatte vorgeschlagen die Stimmzettel elektronisch auszuwerten. Mehrere Mitglieder zweifelten an, dass die Technik zuverlässig, manipulationssicher und auch rechtlich nicht zu beanstanden sei. Erst nach mehrfacher Nachfrage räumte der Landesvorstand ein, er habe den Einsatz der Technik nicht mit der Landeswahlleitung in Mecklenburg-Vorpommern abgestimmt. Trotzdem entschied sich die Mehrheit für die technische Hilfe.

Am Ende beteiligten sich knapp 290 Mitglieder an der geheimen Abstimmung über den Spitzenplatz. Im ersten Wahlgang entschieden sich 198 Anwesende für Holm. Auf Siegfried Klein entfielen 18 Stimmen, auf Andreas Mrachacz 70. Und während das Holm-Lager schon jubilierte, gingen Beanstandungen bei der Sitzungsleitung ein. Dort stellte man fest, dass fünf weitere Stimmzettel vorlagen, auf denen statt eines Namens "Nein" angekreuzt war. In der Summe waren damit aber auch fünf Stimmzettel zu viel vorhanden. Der fehlerhafte Wahlgang musste daher wiederholt werden. 

Für den zweiten Listenplatz – hinter Holm – bewerben sich die beiden bisher amtierenden Bundestagsabgeordneten Enrico Komning, Ulrike Schielke-Ziesing und der Anklamer Patrick Schiffler.

Aktualisierung 15.30 Uhr - Die Zeit wird knapp

Die Wiederholung der Wahl ist vorerst gescheitert. Wieder passte die Zahl der verteilten Stimmzettel nicht zur Anzahl von Parteimitgliedern, die am Einlass gezählt wurden. Das Präsidium hat die Sitzung nun seit über einer Stunde unterbrochen. Zwischenzeitlich wurden alle Anwesenden gebeten, das Zelt zu verlassen, um am Einlass neu zu zählen. Nichts deutet darauf hin, dass das Ergebnis einer neuen Abstimmung wesentlich anders ausfallen würde, aber das organisatorische Chaos und die Verzögerung bringen den ohnehin engen Zeitplan in Bedrängnis. Bis jetzt ist weder für die Bundestags- noch für die Landtagswahl ein einziger Listenkandidat bestimmt. Bis Sonntagmittag sollte beides abgeschlossen sein, um sich danach anderen Punkten zuzuwenden.

Aktualisierung 15.56 Uhr - Es wird chaotisch

Nach rund 90 Minuten Unterbrechung teilte Versammlungsleiter Christoph Basedow mit, man habe bei der Überprüfung den Fehler gefunden. "Allerdings haben wir noch mehr Probleme entdeckt." Die komplette Akkreditierung aller Anwesenden müsse wiederholt werden. Erneut mussten alle Parteimitglieder das Zelt verlassen. Für jeden einzelnen muss nun erneut überprüft werden, ob er für die Teilnahme berechtigt ist. Ein möglicher Fehler: Weil es sich um eine Kandidatenaufstellung für den Bundestag handelt, dürfen auch parteiintern nur Anwesende mit deutscher Staatsbürgerschaft wählen. Dass die Räumung des Zelts mit einem kräftigen Regenguss einherging, dürfte die Stimmung der Parteimitglieder nicht gerade verbessern. 

Aktualisierung 16.38 Uhr - Neuer Anlauf

Seit etwa 16.30 Uhr läuft der Parteitag wieder. Und wieder mussten für einige Minuten Formalien geklärt werden. Während der Regen auf das Zeltdach prasselt, soll nun der Wahlgang für die Spitzenkandidatur zum Bundestag wiederholt werden.

Aktualisierung 17.34 Uhr - Ein Platz vergeben, bleiben noch sieben

Der erneute Wahlgang ist abgeschlossen, die Auszählung dauerte aber rund eine Stunde. Diesmal gab es 188 Stimmen für Leif-Erik Holm. Siegfired Klein erhielt 13 Stimmen und für Andreas Mrachacz stimmten 70 AfD-Mitglieder. Dass Landessprecher Holm seine Spitzenposition so klar verteidigt, damit hatten auch in seinem Lager längst nicht alle gerechnet. Eine mögliche Erklärung: Das Lager der Holm-Gegner konnte die eigenen Leute schlechter an den entlegenen Versammlungsort mobilisieren. Tatsächlich blieben im Saal viele Stühle leer. Gerechnet hatte man im Vorfeld mit bis zu 400 stimmberechtigten Teilnehmern. Am Samstag waren es nie mehr als 290. 

Weiter geht es nun mit den Plätzen 2-8, die man für die Landesliste zum Bundestag noch vergeben will. Realistische Chancen auf ein Mandat in Berlin haben die ersten drei Plätze. Auf die zweite Position wollen Enrico Komning, Ulrike Schielke-Ziesing und Patrick Schiffler - alle drei hatten sich bereits heute Mittag dem Parteitag vorgestellt, bevor das Chaos um die Anzahl der Stimmzettel begonnen hatte. 

Im Saal hat die Disziplin bei den Hygienevorschriften inzwischen deutlich nachgelassen. Immer mehr Grüppchen bilden sich, die eng aneinander stehen. Die vorgeschriebenen Masken werden bei Dutzenden Teilnehmern eher als eine Art Halsschmuck getragen. Der Versammlungsleiter hatte im Laufe des Tages bereits mehrfach dazu ermahnt, die Regeln einzuhalten. Ein Abbruch der Veranstaltung wäre für die AfD nicht nur eine Blamage, sondern ein handfestes Problem bei der Vorbereitung der Wahlen.

Aktualisierung 18.26 – Platz zwei für Enrico Komning

Die AfD wird den zweiten Platz der Landesliste für die Bundestagswahl mit Enrico Komning aus Neubrandenburg besetzen. Der Anwalt setzte sich mit 151 Stimmen durch. Ulrike Schielke-Ziesing aus Demmin erhielt in diesem Wahlgang 109 Stimmen und Patrick Schiffler 12.

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