Ganz vorsichtig gibt Kapitän John Eisenstein Gas. Dann tuckert sein 14 Meter langer Schlepper im Rückwärtsgang aus der engen Lücke. Der Auftrag des 33-jährigen Usedomer ist heikel: Er muss jetzt einen 25 Meter langen, schwimmenden Betonklotz vom Peenemünder Nordhafen über den Peenestrom zur Insel Ruden bringen.
Einst waren in dem streng abgeschirmten Hafen im Norden der Insel Usedom Kriegsschiffe der 1. Flottille der DDR-Volksmarine stationiert. Jetzt liegen an den neuen Bootsstegen Dutzende teure Yachten an der Leine. „Nicht einfach, an ihnen vorbei einen 100 Tonnen schweren Schwimmponton zu manövrieren“, sagt Eisenstein. Assistiert von einem Arbeitsboot, muss der Schubverband in der Mitte des Hafenbeckens drehen. Dann drückt Schlepper „Kranich“ aus Barth seine fünf Meter breite Fracht in die Ausfahrt und steuert zur Fahrrinne in den Peenestrom.
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Beliebtes Ausflugsziel
Bei leichtem Gegenwind braucht der Spezialtransport eine gute Stunde, bis er den kleinen schützenden Hafen der Insel Ruden erreicht. Es ist lange her, dass hier ein Schiff eingelaufen ist. Denn der zuletzt vor gut 90 Jahren erneuerte Hafen ist inzwischen derart marode, dass an seiner durchrostenden Kaikante kein Ausflugsschiff mehr festmachen kann, ohne die Sicherheit seiner Passagiere zu gefährden.
Jahrelang hatten Sportboote und Ausflugsschiffe von Peenemünde, Freest oder Karlshagen hierhin regelmäßig Touristen zu geführten Wanderungen auf das 24 Hektar große Eiland gebracht. Im Laufe der Jahrzehnte aber waren die Hafenanlagen immer mehr verfallen, sodass im März 2016 dem Hafen die Betriebsgenehmigung entzogen werden musste.
Seit zwölf Jahren hat auf der einstigen Lotsen-, Zoll- und Grenzsicherungsinsel am Eingang zum Greifswalder Bodden die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) das Sagen. Sie hatte die Insel zusammen mit dem Peenemünder Haken und der Halbinsel Struck nordöstlich von Lubmin vom Bund als Nationales Naturerbe übernommen – ein 2100 Hektar großes Naturareal, das Biologen als einzigartiges Biotop mit einer exklusiven Tier- und Pflanzenwelt schätzen.
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Mit ein bisschen Glück kann man auf dem Ruden Seeadler, Kraniche, Kormorane, Blässrallen, Mittel- und Gänsesäger, Höckerschwäne, Rotschenkel, Heidelerchen, Kiebitze, Alpenstrandläufer und mehrere Entenarten beobachten.
Damit künftig wieder Ausflugsschiffe den Ruden zu einer geführten Inselwanderung ansteuern können, hatte sich die DBU zur Installation eines Betonschwimmstegs entschlossen, an dem die Schiffe anlegen und die Passagiere über eine Gangway an Land gehen können.
Drei Millionen Euro Umsatz mit zehn Mitarbeitern
Die Ausschreibung für den Betoninsel-Auftrag hatte die Firma Piontech Marina Systeme GmbH aus Torgelow gewonnen. Die einzelnen Betonteile seien im Torgelower Werk mit Transportbeton hergestellt und im Peenemünder Nordhafen zum Ponton montiert worden, sagt Werkleiter Gunnar Recknagel.
Zugangssteg, Geländer und Rettungssysteme lieferte die Firma Metallbau Müller aus Rechlin. „Befestigt an zwei vorab im Hafen gerammten Stahldalben, haben wir die Schwimmplattform dann schon einen Tag nach der Überführung zum Ruden übergeben.“
Das kleine Unternehmen beschäftigt in Torgelow zehn Mitarbeiter und schafft es pro Jahr mit über 100 unterschiedlichen Betonschwimmstegen zu einem Umsatz von zwei bis drei Millionen Euro. „Wir sind nur einer von zwei Anbietern solcher Anlagen in Deutschland und arbeiten im Verbund mit der schwedischen Piontech AB, sagt der 48-Jährige. Die schwimmenden Inseln mit einer Haltbarkeit von 50 Jahren dienten meist als Bootsanleger in Marinas. „Sie können aber auch kleine Ferienhäuschen oder komplette Restaurants oder Hotels tragen.“
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Stabile Betonpontons made in Torgelow
Die Referenzen von Piontech können sich sehen lassen. Geliefert wurden bereits Bootsstege in die Häfen und Marinas von Barhöft, Greifswald, Rankwitz, Rostock, Wismar und Glowe. Zu den wichtigsten Kunden zählt die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS), deren Seenotrettungskreuzer an den Stegen festmachen. Stabile Betonpontons made in Torgelow schwimmen inzwischen aber auch in Polen, in Dänemark, in Schweden, Österreich und sogar in Grönland und auf den Färöer-Inseln.
In diesem Jahr wurde zudem eine große, eissichere Plattform nach Hammerfest im norwegischen Norden auf die Reise geschickt. In der Regel werden die für das Ausland bestimmten Teile nach Swinemünde oder Dänemark gebracht und von dort aus dann per Schiff transportiert.
Auf der Insel Ruden soll der aus vier miteinander gekoppelten Pontons bestehende Schwimmsteg nach der behördlichen Sicherheitsabnahme und der Hafenbetreibergenehmigung schon in den nächsten Tagen in Betrieb gehen. Dann könne die Apollo Fahrgastreederei aus Peenemünde wieder regelmäßig mit Besuchern und Besucherinnen an Bord zu kleinen, zweistündigen Gruppenrundgängen zum Ruden steuern, sagt DBU-Naturerbe-Prokurist Marius Keite.
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Unterstützt wird der naturfreundliche Tagestourismus von Akteuren des ehrenamtlichen Vereins Naturschutzgesellschaft Vorpommern, zwei Bundesfreiwilligendienstlern und den beiden Inselrangern Julia Melle und Ringo Behn. Weil die Insel inzwischen gänzlich dem Naturschutz gewidmet ist, wird der Ruden aber künftig für private Bootsanleger oder Inseltouren im Alleingang gesperrt bleiben.