Am kommenden Sonntag lädt ein etwas kriminalistisch anmutender Lockruf zum Tag des offenen Denkmals in Mecklenburg und Vorpommern: Das Motto „KulturSpur. Ein Fall für den Denkmalschutz“ wählte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz für die herbstliche Gelegenheit, außergewöhnliche Orte zu erkunden. Eine Übersicht der vielen geöffneten Denkmäler findet sich am Ende des Artikels.
Geschichte vor Ort erkunden
Deutschlandweit sind es rund 5000, davon einige Dutzend auch im Nordosten: Orte, an denen mit kriminalistischem, jedenfalls oft archäologischem, forensischem, regionalhistorischem Spürsinn Geschichte und Geschichten zu erkunden sind. Auch solche von Gewalt – wie etwa in der einstigen Stasi-Haftanstalt in Neustrelitz, wo am Sonntag eine neue Dauerausstellung eingeweiht wird, oder vor den Toren Neubrandenburgs mit Führungen zum ehemaligen Kriegsgefangenen- und späteren sowjetischen Speziallager Fünfeichen sowie zum Zwangsarbeitslager „Waldbau“, einer Außenstelle des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück.
Älteste Sternwarte des Nordostens
Überhaupt zeigt das Programm des Tages, wie vielgestaltig der – vielen Menschen zu Unrecht immer noch recht dröge anmutende – Begriff Denkmal sein kann. In Remplin zum Beispiel lernen Besucher die älteste Sternwarte des Nordostens kennen. 1793 hatte Graf Friedrich von Hahn hier sein Gartenhaus zu einem Observatorium umbauen lassen. Nach seinem Tod wurde sie nicht mehr wissenschaftlich genutzt, fiel Verfall, Kriegszerstörung und schließlich auch Vandalismus anheim – bis ehemalige Mitarbeiter der Berliner Archenhold-Sternwarte sich ab 1980 an die langwierige Mission eines Wiederaufbaus machten. In der 2018 wieder eröffneten Sternwarte lädt der Förderverein am Sonntag zu Führungen und Sonnenbeobachtung ein.
Auf dem Nesselberg in Waren (Müritz) können Besucher den 1900 errichteten Wasserturm erklimmen, der die Stadt bis 1963 mit Wasser versorgte und nunmehr mit buchstäblichen aussichtsreichen Ferienwohnungen aufwartet.
In Penzlin stellt sich das 2019 als Museum, Stadtbücherei, Stadtarchiv und Touristinformation hergerichtete Johann-Heinrich-Voß-Literaturhaus vor, in dem der Dichter und Übersetzer Johann Heinrich Voß im 18. Jahrhundert zur Schule gegangen war.
Alte Speicher, Bunkermuseum, Mausoleum
Eine wechselvolle Geschichte ist im barocken Wohnspeicherbau in der Anklamer Keilstraße zu erkunden, samt einem über 300 Jahre alten Speicherrad. Einst möglicherweise als Brauerei, später als Gerichtsgebäude genutzt, vor einigen Jahren von einer Berliner Investorin erworben, beherbergt es nunmehr ein Bunkermuseum und eine Galerie. Um die Spuren einer prägenden Adelsfamilie wiederum geht es in Koblentz bei Pasewalk, wo das Mausoleum der Ritter von Eickstedt eine mehrhundertjährige Geschichte offenbart.
In der Uckermark gibt es neben den Angeboten einzelner Gastgeber gar eine Bustour, die spannende Spurensuchen an der Kirche Bertikow, der Feste Greiffenburg oder dem Gutshof in Mürow samt Park und Speicher verheißt.
Ungewöhnliches Schulexperiment in der DDR kennenlernen
Mit einem aus heutiger Sicht geradezu unglaublichen Experiment trumpft gar das sonst vor allem als Weihnachtsmanndorf bekannte Himmelpfort auf: Die Klostermühle wurde 1949 zur Zuflucht für ein Teil der Schüler-, Lehrer- und Elternschaft der West-Berliner Schulfarm Insel Scharfenberg: Im Konflikt mit dem Schulamt Reinickendorf um die Zukunft eines beliebten Schulleiters, der aus dem französischen in den sowjetischen Sektor verwiesen werden sollte, zogen sie nach erfolglosem Streik konsequent ostwärts und gründeten in Himmelpfort die Reformschule „Ost-Scharfenberg“. An das sozialistische Schulexperiment, das nach drei Jahren durch die DDR-Obrigkeit beendet wurde, wird am Sonnabend mit Vortrag, Dokumentarfilm und Podiumsdiskussion erinnert.
Gewinnspiel und Foto-Wettbewerb
Beim Blick in die Geschichte werden indessen auch zukunftsträchtige Formate immer wichtiger. Digitale Alternativen, wie sie in den vergangenen zwei Jahren Pandemie-bedingt stark genutzt wurden, sind diesmal dünner gesät. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz wirbt indessen für ihre App zum Tag des offenen Denkmals, deren Nutzer sich nicht nur über Ausflugsmöglichkeiten in ihrer Region informieren, sondern auch an einem Gewinnspiel und einem Foto-Wettbewerb beteiligen können.