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Klimawandel

Bauen wir im Nordosten bald Südfrüchte an?

Stettin / Lesedauer: 3 min

Der nächste heiße und zumeist viel zu trockene Sommer beschert den Landwirten und Gärtnern Sorgen. Sollten sie mehr auf Nutzpflanzen aus dem Süden setzen? Versuche dazu gibt es bereits.
Veröffentlicht:13.08.2019, 08:02

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Hitzewellen und über lange Zeiträume kaum Regen: Das zweite Jahr in Folge drohen den Landwirten im Norden empfindliche Ernteverluste, weil ihre traditionellen Kulturpflanzen den Klimastrapazen wenig entgegensetzen können. Die Wissenschaft sucht nach Auswegen, testet seit Jahren wärmeliebende und trotzdem winterharte Kulturen. Und dabei gibt es erste Erfolge.

Auf einer Plantage im polnischen Dorf Ostoja nahe Stettin zum Beispiel gedeihen frostharte und schädlingsresistente Weinstöcke wie Regent, Phönix und Solaris. Auch Aprikosenbäumchen, japanische Pflaumenarten und Kornelkirschen wachsen hier – nicht vordergründig für den Verzehr, sondern im Dienste der Wissenschaft.

Zusammen mit Forschern der Hochschule Neubrandenburg erproben Agrarexperten der Universität Stettin den Anbau wärmeliebender Kulturpflanzen, darunter auch von Beeren wie dem Essbaren Geißblatt, der Kamtschatka-Heidelbeere oder der Maibeere. In einem zweijährigen Forschungsprojekt ist getestet worden, inwiefern wärmeliebende Kulturarten in Pommern wirtschaftlich angebaut und dabei Züchtungsfortschritte und Frostschutztechniken genutzt werden können.

Winzer im Nordosten fuhren 2018 Rekordernte ein

„Prinzipiell ist der Anbau von Wein, Kornelkirschen, Aroniabeeren und Scheinquitten hierzulande möglich“, konstatiert der Neubrandenburger Professor für Agrarwirtschaft, Gerhard Flick. „Das Problem aber ist, dass die Früchte und Blätter selten allein verkauft werden, sondern eher als Vorprodukte der Lebensmittelindustrie aufbereitet werden müssen.“ Doch diese Vorprodukte würden nicht in hohen Mengen benötigt und könnten preiswerter aus Osteuropa importiert werden. „Es handelt sich also eher um eine Nischenproduktion im Rahmen einer Erzeugung hochpreisiger, gesunder Produkte.“

Auch wenn die Winzer in Rattey oder Lodmannshagen bei Wolgast nach dem Supersommer 2018 Rekordernten einfuhren, sieht Flick zum Beispiel für die Nischenpflanze Wein im Nordosten als flächenstarke Hauptfrucht keinerlei Marktchance. „Die klassische Agrarwirtschaft sollte eher auf wassersparenden und fruchtfolge-auflockernden Kleegras- oder Luzerne-Anbau als Mais-Alternative zur Futtererzeugung umstellen“, rät er.

Auch Tests mit wärmeliebenden Nutzpflanzen wie Soja, etwa im Landkreis Ludwigslust-Parchim, sowie von Hirse in der Landesforschungsanstalt Gülzow brachten bislang keinen Durchbruch für einen Gewinn versprechenden Anbau. Forscher empfehlen stattdessen. die Anschaffung von Beregnungsanlagen und die Begrenzung des privaten Wasserverbrauchs zu fördern. Zudem sollte die Bodenbearbeitung angepasst werden. Wer weniger pflügt und mehr mulcht, halte mehr Wasser im Boden, sagt die Agrarwissenschaftlerin Ines Bull.

Lokaler Landwirt hat gute Erfahrungen mit Artischocken

Im Gegensatz zur konventionellen Landwirtschaft eröffnet die langfristige Klimaerwärmung allerdings den Gärtnereien durchaus lohnenswerte Alternativen. In Schleswig-Holstein zum Beispiel wird seit einigen Jahren bereits der professionelle Anbau von Artischocken erprobt. Auch Olaf Schnelle, der im Landkreis Vorpommern-Rügen seine erfolgreiche Spezialitäten-Gärtnerei „Schnelles Grünzeug“ betreibt, hat mit Artischocken gute Erfahrungen gemacht. „Im April ausgesät und im Mai ausgepflanzt, reifen die Pflanzen sehr langsam und können im August geerntet werden“, sagt er. Zwar seien die Erträge der essbaren knospigen Blütenstände vergleichsweise gering, doch im Unterschied etwa zu italienischen Artischocken entwickelten sie ein besonders intensives Aroma. Auch Fenchel, Melonen, verschiedene Brokkoli- und mediterrane Kohlsorten könnten hierzulande angebaut werden, sagt Schnelle, an dessen Haus sogar ein oft recht gut tragender Feigenbaum wächst.

Dem Trend zu wärmeliebenden Kulturpflanzen folgen aber ansonsten vor allem experimentierfreudige Hobbygärtner. Durchaus zur Freude des Handels. Immer mehr Gärtner probierten sich an exotischen Pflanzen, hat der Rostocker Gartenbauexperte Thomas Heinemann festgestellt. „Wir haben allein in diesem Jahr schon etwa 2000 Wasser- und Zuckermelonen-Pflanzen verkauft“, sagt der Chef des Gartencenters Grönfingers.

Auch Freilandgurken, Kürbis, Zucchini, Süßkartoffeln und Weinstöcke würden heutzutage öfter gekauft als noch vor zehn Jahren. In manchen Gärten gedeihten zudem inzwischen Physalis, Pfirsiche, kleine Kiwis und scharfe Peperonis. Und auch der winterharte Bornholmer Feigenbaum habe in warmen Sommern hierzulande gute Chancen, seine Früchte ausreifen zu können, sagt Heinemann.