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Polizeiskandal

„Caffier hat Polizei nicht mehr im Griff“

Schwerin / Lesedauer: 4 min

Der mutmaßliche Versuch von drei leitenden Polizeibeamten, Straftaten zu vertuschen, birgt nicht nur politischen Zündstoff – er zeigt laut Insidern auch einen Blick in die „Abgründe des Innenlebens der Polizei“.
Veröffentlicht:15.08.2019, 20:48

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Für den nach einer Serie von polizeilichen Pannen, Peinlichkeiten und Skandalen angeschlagenen Innenminister Lorenz Caffier (CDU) ist die Sache ganz einfach. Der seit 13 Jahren im Amt befindliche Caffier spricht von „Verfehlungen Einzelner“. Es könne laut Minister „keine Rede von einem Polizeiskandal“ sein, wenn die Staatsanwaltschaft Rostock seit Monaten gegen drei leitende Polizeibeamten ermittelt, weil diese unter Verdacht stehen, die von einem anderen Polizisten ausgeübte häusliche Gewalt gegen seine ehemalige Lebensgefährtin vertuschen zu wollen. 

Dieses „Herunterspielen“ lässt Siegfried Stang dem Innenminister nicht durchgehen. Der langjährige Chef der Polizeiinspektion Neubrandenburg bezeichnet den Vorfall als „symptomatisch für den Zustand der Landespolizei“. Der Kenner der Szene geht sogar noch weiter: „Die Führungssituation in der Landespolizei MV ist offenbar desolat und besorgniserregend. Dieser Innenminister und sein Ministerium haben die innerpolizeiliche Lage nicht mehr im Griff, wie die nicht abreißende Reihe von Skandalen zeigt.“

Für seine vernichtende Kritik hat Stang auch eine Begründung parat: „Wenn bestimmte, ausgesuchte Beamte des höheren Dienstes über Jahre hinweg verhätschelt werden, mag dies bei manchen die Vorstellung fördern, sich über vieles einfach hinwegsetzen zu können – als Elite mit Sonderrechten.“ Nach Einschätzung Stangs habe eine solche Geisteshaltung natürlich Ausstrahlungswirkung. Daraus resultiere beispielsweise jenes Elitebewusstsein, dass im SEK-Skandal eine Rolle gespielt habe.

Zur Erinnerung: Im Juni waren vier teils ehemalige, teils noch aktive Mitglieder der Elite-Einheit SEK festgenommen worden. Zwei sitzen in Untersuchungshaft, für die anderen beiden wurde der Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Drei von ihnen wird vorgeworfen, dienstliche Munition beiseite geschafft und an den Vierten mit Kontakten in die extremistische „Prepper“-Szene weitergegeben zu haben. Wenig später nahm das Innenministerium vier weitere Beamte wegen intensiver Kontakte zu dem beschuldigten Quartett vorsorglich aus dem SEK.

„Die Eliten werden nur unzureichend kontrolliert und zur Ordnung gerufen“, sagt Stang. Es wäre nach Ansicht des ehemaligen ranghohen Polizeibeamten erschreckend zu sehen, wenn sich Beamte des höheren Dienstes im Land nicht mehr an den gesetzlichen Strafverfolgungszwang gehalten hätten – nur weil es sich bei den Beschuldigten um Kollegen handeln würde.

Minister soll im Innenausschuss aussagen

Stang selbst seien Fälle aus der letzten Zeit bekannt, in denen Streifendienstbeamte von hochgestellten Vorgesetzten gerügt wurden und noch schwere Nachteile zu erwarten hätten, weil sie dem Strafverfolgungszwang genügt und der Staatsanwaltschaft den Straftatverdacht gegen Kollegen zur Kenntnis gebracht hätten.

Vor diesem Hintergrund zieht Stang den „Hut vor dem Polizeibeamten, der sich im aktuellen vermeintlichen Vertuschungsfall gegen die drei leitenden Beamten gestellt hat. Ich befürchte allerdings, dass er zukünftig im Dienst nicht mehr viel zu lachen haben wird.“

Das dürfte auch auf Innenminister Caffier zutreffen – die Linke macht als Oppositionspartei mächtig Druck und will den CDU-Politiker am liebsten vor den Innenausschuss des Landtages zitieren. „Ich befürchte allerdings, dass es wieder heißt, die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen laufen, man könne deshalb nichts sagen“, ätzt Peter Ritter, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, gegen Caffier. „Ich hoffe nicht, dass im Falle von notwendigen Disziplinarmaßnahmen der verantwortliche Beamte oder die verantwortlichen Beamten quasi als ‚Belobigung‘ an die Fachhochschule nach Güstrow als Ausbilder versetzt werden. Es wäre ja nicht zum ersten Mal“, setzt er hinzu.

Erforderlich sei laut Opposition eine umfassende Aufklärung der Vorwürfe. Es dürfe keine Verharmlosung nach dem Motto ‚es geht hier nur um einen Konflikt zwischen einem Polizisten und seinem Vorgesetzten‘ geben.

Ritter weiter: „Auch die Tatsache, dass es sich hier offenbar um einen Fall häuslicher Gewalt handelt und Ermittlungen dazu unterdrückt worden sein sollen, erfordert konsequente Aufklärung. Zu hinterfragen ist hierbei vor allem die Verantwortung des Innenministeriums. Wenn laut Innenministerium mehrere Gespräche mit dem Vorgesetzten keine Lösung gebracht haben, stellt sich die Frage, wer wann was in der zuständigen Abteilung des Innenministeriums wusste und was veranlasst hat oder eben nicht.“