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Lohn und Rente

Deutschland sitzt auf einem Pulverfass

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Lassen Sie uns offen über Geld sprechen: Reicht Ihr Einkommen zum Leben? Wie sicher ist Ihr Job? Wie gerecht geht es in Deutschland zu? Ihre Meinung zählt!
Veröffentlicht:02.03.2021, 05:57

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Deutschland sitzt auf einem Pulverfass und die ostdeutschen Bundesländer sind die Lunte. Wenn man die Entwicklungen der Löhne, Renten und der Vermögensstruktur in deutschen Haushalten insbesondere in den neuen Ländern betrachtet, dann ist das eine zutreffende Zustandsbeschreibung.

Was genau geht hier vor sich? Worauf müssen wir uns in den kommenden Jahren einstellen? Reichen unsere Gehälter und Renten zukünftig noch zum Leben? Hält der Sozialstaat diesem enormen Druck überhaupt Stand? Und was passiert mit uns allen in dieser neuen Welt, wenn das Versprechen von Wohlstand und Freiheit für alle nicht mehr eingehalten werden kann?

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Diesen Fragen wird der Nordkurier in den kommenden Wochen nachgehen. Und dafür möchten wir Sie einladen, uns Ihre Geschichte zu erzählen. Lassen Sie uns offen über Geld sprechen: über Ihren Lohn, Ihre Rente, Ihre Arbeitsbedingungen, Ihre Sorgen und Hoffnungen für die Zukunft. Reicht Ihr Einkommen zum Leben? Wie sicher ist Ihr Job? Sind Sie alleinerziehend und fühlen sich alleingelassen? Sorgen Sie sich um ihre Rente? Sie können dabei selbstverständlich anonym bleiben.

Jeder dritte Ostdeutsche in prekärem Arbeitsverhältnis

Sie können sich sicher sein, dass Sie nicht alleine sind. Selbstverständlich gibt es auch in Ostdeutschland viele gut bezahlte Jobs. Doch gleichzeitig wächst der Anteil von Arbeit im Niedriglohnsektor. Davon spricht man, wenn der Verdienst weniger als zwei Drittel des durchschnittlichen Bruttoeinkommens beträgt. Die Grenze liegt derzeit bei ungefähr 11,50 Euro pro Stunde, also noch deutlich über dem Mindestlohn von 9,50 Euro.

Deutschland hat den größten Niedriglohnsektor in Westeuropa, in der EU sind nur die Arbeitnehmer in ein paar osteuropäischen Ländern schlechter dran. Mehr als 20 Prozent aller Beschäftigten arbeiten bundesweit in prekären Arbeitsverhältnissen.

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In Ostdeutschland ist der Anteil dieser Arbeitnehmer noch höher: Laut einer Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen arbeiten in Mecklenburg-Vorpommern 33,9 Prozent und in Brandenburg 31,1 Prozent der Beschäftigten im untersten Lohnsegment. Auch in Thüringen (34,1), Sachsen-Anhalt (32,9) und Sachsen (32,5) ist etwa jeder dritte Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor beschäftigt.

Neue Länder befinden sich in einem Teufelskreis

Dadurch entsteht ein Teufelskreis: Schlechtere Löhne und unsichere Arbeitsverhältnisse führen zu niedrigeren Renten. Diese sind in Ostdeutschland aufgrund der vielen unterbrochenen Erwerbsbiografien in den 1990ern und 2000ern ohnehin geringer als im bundesdeutschen Vergleich.

Die materielle Gesamtsituation wiederum führt zu einer gebremsten Konsumfreudigkeit und weniger Investitionen im Osten, worunter insbesondere die Unternehmen leiden. Das wiederum wirkt sich auf dem Arbeitsmarkt aus – weniger Jobs, schlechtere Löhne.

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Der demografische Wandel tut sein Übriges: Schon heute kommen auf 100 Beitragszahler 57 Rentner. Das reicht nicht aus, um die Renten zu stemmen: Im Jahr 2019 musste der Bund 90 Milliarden Euro aus Steuergeldern zuschießen. In 10 Jahren werden es nach Zahlen des Instituts der Deutschen Wirtschaft aber schon 67 und im Jahr 2050 sogar 77 Rentner auf 100 Arbeitnehmer sein.

Die Folge: Die Beiträge müssen steigen, wodurch Arbeit unattraktiver wird. Gleichzeitig sinkt das Rentenniveau bei steigenden Steuern und Sozialabgaben auf die Rente, weswegen immer mehr Rentner die Armutsgrenze unterschreiten werden. Nach Hochrechnungen der Gewerkschaft Verdi wird sich die Zahl der Rentner, die von der Grundsicherung leben, zwischen 2015 und 2030 verzehnfachen – von damals 3 auf dann 30 Prozent. Die Dunkelziffer jener älteren Menschen, die aus Angst und Scham keine staatliche Unterstützung beantragen, ist hier noch nicht einmal eingerechnet.

Wo soll das noch hinführen?

Die Veränderungen in der Arbeitswelt, in der Automatisierung, Digitalisierung und Globalisierung voranschreiten, werden diese Situation in den kommenden Jahren noch verschlechtern. Gleichzeitig leben wir in einer Welt der sozialen Medien, in der sich unzufriedene, wütende und verzweifelte Menschen in Echtzeit austauschen und organisieren können.

All dies lässt nur einen Schluss zu: Deutschland sitzt auf einem Pulverfass und braucht gute, nachhaltige Ideen, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Schreiben Sie uns – und werden Sie Teil dieser Entwicklung!

Kontakt: Carsten Korfmacher unter [email protected]