StartseiteRegionalMecklenburg-Vorpommern"Die Reform des Bildungssystems ist gescheitert“

SPD-Nachwuchspolitikerin

"Die Reform des Bildungssystems ist gescheitert“

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Lilly Blaudszun ist Schülerin eines Gymnasiums in MV und stellvertretende Landesvorsitzende der Jusos, dem SPD-Nachwuchsverband. Die 17-Jährige übt scharfe Kritik am hiesigen Schulsystem.
Veröffentlicht:22.08.2018, 06:06

Artikel teilen:

„Als ich vor elf Jahren anfing, in die Schule zu gehen, war ich neugierig und wissbegierig. Ich wollte alles lernen und das möglichst schnell. Damals habe ich nicht geahnt, wie Schule einmal werden würde und was sie mit uns macht.“ Eher sanft beginnt der Text der Ludwigsluster Schülerin Lilly Blaudszun im Onlinemagazin „Vice“ über ihre Erfahrungen in der gymnasialen Oberstufe. Doch in ihrem Beitrag unter der Überschrift „Wie uns das Bildungssystem kaputt macht“ schildert sie zunehmend schonungslos, was ihrer Ansicht nach nicht stimmt in den Schulen des Landes.

Nun ist die 17 Jahre alte Gymnasiastin aber nicht nur irgendeine Wutschülerin, die irgendwo ins Netz mal eben so Dinge hinschreibt. Vielmehr startete die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Jugendorganisation Jusos in dem auf Lifestyle- und Jugendthemen spezialisierten Magazin einen mit eigenen Erfahrungen unterfütterten Generalangriff auf das Bildungssystem in MV. Tenor: Die Schüler an den Gymnasien haben viel zu wenig Zeit und viel zu viel Druck.

„Vielleicht hätte ich gerne Zeichnen gelernt, vielleicht hätte meine beste Freundin länger Klavier gespielt oder der beste Sportler unseres Jahrgangs lieber nie mit Leichtathletik aufgehört“, schreibt sie. „Vielleicht hätten wir noch mehr Talente entdeckt und ausprobiert. Druck und Zeitmangel in der Oberstufe verbieten uns das jedoch.“ Es gehe schon lange nicht mehr um mehr Ansporn, sondern darum, „dass Jugendliche mit 17 Jahren schon kaputt sind, bevor sie erst richtig mit ihrem Leben angefangen haben. Und das ist manchmal echt schwer auszuhalten.“

Bildungsministerium hält am Abitur in zwölf Jahren fest

Sie habe nach der Veröffentlichung viele Reaktionen von Schülerinnen und Schülern erhalten, sagt Blaudszun. „Sie haben sich bedankt, mich unterstützt oder auch die missliche Lage aus ihrer Sicht geschildert. Auch Lehrerinnen und Lehrer haben mich unterstützt und betont, dass Niveau und Qualität mit diesem Schulsystem nur schwer zu vereinbaren sind.“ Selbst ihr eigener Schulleiter schrieb ihr und stimmte im Namen vieler Kollegen zu.

Das Problem liegt aus Lilly Blaudszuns Sicht im System. Die Umstellung auf das Abitur nach 12 statt 13 Jahren habe keine guten Folgen gehabt, findet sie. „Wir müssen nicht nur viel schneller und unter höherem Druck lernen, auch die Qualität unserer Bildung leidet massiv.“ Sie berichtet von Mitschülern, die Drogen nehmen, um den Lernstoff zu schaffen. „Die meisten in meinem Umfeld schotten sich von so gut wie allem ab, schlafen viel zu wenig und halten sich mit Kaffee und Energydrinks am Laufen.“ Schon zu Beginn des Schuljahres habe sie acht Ausfallstunden in der Woche, was den Stress für Schüler und Lehrer bei dem eng gestrickten Pensum gleich wieder größer mache.

„Keine Experimente!“

Das Fazit von Lilly Blaudszun: „Nach elf Jahren Schule, fünf Jahren G8 in unserem Land weiß ich: Die Reform des Bildungssystems ist gescheitert. Ich will nicht mehr, dass Schülerinnen und Schüler aufgrund von Bildung zusammenbrechen.“ Der politische Haken an der Sache: Im Koalitionsvertrag, den ihre Partei mit der CDU im Land geschlossen hat, ist festgelegt, an den Schulstrukturen nichts verändern zu wollen. „Keine Experimente!“, lautet die Maxime von SPD-Bildungsministerin Birgit Hesse, kein Hin und Her in puncto Abitur nach 12 oder 13 Jahren.

Auch von Lehrerverbänden heißt es, dass die Pflöcke bei dem Thema so fest eingeschlagen seien, dass kein Landespolitiker bereit sei, darüber zu reden. Aufgeben will Lilly Blaudszun aber nicht: „Mein Ziel ist, dass die SPD einen Kurswechsel einleitet. Ich glaube, dass wenn wir jungen Leute gemeinsam unsere Stimme erheben, richtig viel schaffen können.“