Vor Haustür ausgesetzt
Diese Frau half bei der Baby-Rettung
Schwerin / Lesedauer: 3 min
Man sieht Jutta Ruß immer noch an, wie nahe ihr es geht, was sie wenige Stunden zuvor erlebt hat: „Der kleine Wurm war ganz nackig nur in eine Wolldecke gehüllt. Selbst die Nabelschnur war noch dran.“ Gemeinsam mit einer Zeitungszustellerin hat die fünffache Oma am Freitagmorgen gegen 5 Uhr im Schweriner Plattenbauviertel Mueßer Holz einem Säugling das Leben gerettet.
Der wenige Stunden alte Junge war vor einem der Hauseingänge in dem Viertel abgelegt worden, als ihn die Zeitungsbotin bei klirrender Kälte findet. Aber auf ihr Klingeln reagiert erst mal nur Jutta Ruß: „Ich konnte nicht schlafen und habe ferngesehen. Erst habe ich gedacht, es klingelt im Fernseher. Dann habe ich gemerkt, dass es wirklich klingelt und habe nachgesehen“, erzählt die 66-Jährige.
Unten stand die Zustellerin mit dem schreienden Kind im Arm – aber ohne Telefon. „Ich habe dann die Polizei angerufen, die auch sehr schnell gekommen ist. Kurz danach war auch ein Rettungswagen da und auch der Notarzt“, lobt Jutta Ruß. Und sie freut sich: „Die Beamten haben sich sehr bei uns bedankt.
Suche nach den Eltern bisher erfolglos
Nicht nur die Kälte hätte dem Säugling den Tod bringen können, meint sie noch. In der Gegend seien auch viele streunende Katzen unterwegs. Und wie andere Anwohner, mit denen man am Freitagmorgen spricht, fragt sie sich: „Warum hat die Mutter das Kind nicht zur Babyklappe gebracht? Für solche Fälle gibt es die doch.“
Unter anderem das ermittelt jetzt die Polizei. „Wir befragen jetzt alle, die im Nahsichtbereich wohnen“, sagt der Einsatzleiter. Das Viertel gilt gemeinhin als sozialer Brennpunkt.
Die Suche mit einem Fährtenhund sei nicht erfolgreich gewesen, sagte ein Polizeisprecher. Der Hund habe versucht, anhand der Wolldecke, in die das Kind gewickelt war, die Fährte aufzunehmen. Bei der feuchten Witterung und der niedrigen Temperatur von einem Grad plus habe er die Spur aber nicht weiterverfolgen können.
Das Baby ist außer Lebensgefahr
Laut Polizei hat das Neugeborene nicht viel länger als 30 Minuten vor dem Hauseingang gelegen. Am Vormittag war der kleine Junge dann außer Lebensgefahr, wie ein Sprecher der Helios Kliniken Schwerin mitteilte. „Es war sehr stark unterkühlt“. Ansonsten sei das Baby äußerlich gesund.
Die Klinik habe das Jugendamt informiert, das für Findelkinder zuständig ist. Wie mit dem Kind weiter verfahren wird, ist einer Sprecherin der Stadtverwaltung zufolge noch unklar. Zunächst werde nach den Eltern gesucht, vorläufig werde das Baby in der Klinik betreut.
Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln nun wegen des Verdachts der Aussetzung des Neugeborenen gegen Unbekannt. Bisher gebe es keine Erkenntnisse zur Mutter und zu der Person, die das Kind abgelegt hat. Die Polizei bittet Zeugen um Hinweise – auch zu einer Frau, die vor kurzem noch schwanger war, aber jetzt keinen Säugling habe.