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CDU und Linke

Eine Chance für die undenkbare Koalition?

Schwerin / Lesedauer: 4 min

Ein Jahr vor der Landtagswahl in Brandenburg hat CDU-Landeschef Ingo Senftleben erkennen lassen, er könne sich vorstellen, auch mit der Linken zusammenzuarbeiten. Wäre das ein Modell für MV?
Veröffentlicht:14.04.2018, 11:20

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Käme es kommendes Jahr in Brandenburg wirklich zu einer Koalition zwischen CDU und Linken, müsste man den bisherigen politischen Kompass über Bord werfen. Doch CDU-Chef Ingo Senftleben ließ zuletzt wiederholt erkennen, er könne sich Zusammenarbeit mit der Linken vorstellen. Tatsächlich ist das Land seit der Wende in SPD-Hand, doch aktuell scheint es so, als könne sich daran im Jahr 2019 erstmals etwas ändern. Bislang hatte die SPD immer davon profitiert, dass eine Koalition ohne sie faktisch unmöglich war. Kein Wunder also, dass Linke-Landeschefin Diana Golze durchaus positiv auf Senftlebens Annäherung reagierte.

Alle diese Planspiele lassen allerdings eines außen vor: Es gibt inzwischen noch eine große Partei jenseits der CDU, die AfD. In Brandenburg könnte ihr 2019 erstmals der Wiedereinzug in einen Landtag gelingen. Da läge also die Frage auf der Hand, ob nicht auch CDU und AfD eine Einheit bilden könnten? Ingo Senftleben hat sich dazu klar geäußert: Mit dem AfD-Landeschef Andreas Kalbitz verbinde ihn „gar nichts“. Vielmehr müsse man „Klartext reden mit denen, die versuchten, auf dem Rücken der Schwachen Erfolge zu generieren.“ Er sei in der Union, weil er Christ sei und den Glauben lebe. „Dazu zählt für mich Nächstenliebe, Toleranz und Vielfalt zu akzeptieren.“ Das ist das eigentlich brisante an Sentflebens Äußerungen: Lieber mit der Linken als mit der AfD, sagt er.

Schnittmenge zwischen Bibel und Karl Marx

Und wie ist es in Mecklenburg-Vorpommern? Auch dort führt seit 18 Jahren in Sachen Landesregierung kein Weg an der SPD vorbei, auch dort gibt es eine starke – wenn auch zuletzt geschwächte – AfD. Doch CDU-Landeschef Vincent Kokert will momentan nichts wissen, von schwarz-dunkelroten oder schwarz-blauen Planspielen: „Wir haben einen Koalitionsvertrag mit der SPD und den erfüllen wir“, sagt er. Die Diskussion in Brandenburg will er ebenfalls nicht kommentieren. Wobei er sich einen Satz dann doch nicht verkneifen kann: „Sowohl das Bild, dass die AfD hier im Land momentan abgibt als auch das, was die Linke abgibt, eignet sich nicht, um politische Schnittmengen zu finden.“

Torsten Koplin, Co-Chef der MV-Linken, tut sich damit nicht ganz so schwer. Er hat ebenfalls nicht den Eindruck, dass Linke und CDU sich zurzeit auf Annäherungskurs befänden, was er auch daran festmacht, dass kein Vertreter seiner Partei zu Vincent Kokerts 40.  Geburtstag eingeladen war, den dieser jüngst mit großem Tamtam und reichlich Ehrengästen bei Neubrandenburg feierte. „Das lässt darauf schließen, dass die Christdemokraten bei uns noch nicht auf Brautschau gehen“, sagt Koplin. „Durchaus Verbindendes“ gebe es aber schon: „Beide Parteien haben eine starke Verankerung in allen Teilen des Landes. Beide Parteien machen jeweils Politik nah bei den Menschen.“ Und noch mehr: Christentum und Sozialismus lasse sich laut Koplin sehr leicht übereinbringen: „Mitglieder beider Parteien haben in der Regel sowohl die Bibel als auch Karl Marx eifrig gelesen, ziehen aber verschiedene Schlüsse daraus.“

Bundes-CDU sieht Annäherung kritisch

Das sind gewagte Thesen. Und in der Bundespolitik kommen die ostdeutschen Annäherungsversuche ohnehin nicht gut an. Bei der Bundes-CDU, die zuletzt eher über einen konservativeren Kurs diskutiert hatte, lud Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer Ingo Senftleben sogar zum Rapport vor. Und erklärte: „Wir sehen die Linkspartei weiterhin kritisch, weil in ihr Gruppen wie die Kommunistische Plattform das politische System bekämpfen, für das wir stehen.“ Ähnlich sieht es auch Philipp Amthor, CDU-Bundestagsabgeordneter aus dem östlichen Mecklenburg-Vorpommern. Er erklärt: „Statt politischer Beliebigkeit sollte die CDU lieber ihr eigenes Profil schärfen. Nur mit einer starken CDU sind Regierungen ohne AfD und Linkspartei möglich.“

Nicht nur bei der FDP, auch bei der AfD gibt man sich empört über die Debatte – und dürfte sich insgeheim doch die Hände reiben. Der Neubrandenburger AfD-Bundestagsabgeordnete Enrico Komning sagte: „Herr Senftleben illustriert, wie weit die CDU inzwischen nach links abgedriftet ist. Eine gemeinsame Politik machen zu wollen mit linken Kräften, die einen Hass auf das eigene Volk haben, die Neid und Missgunst zum Staatsprinzip erklären wollen, ist Gegenteil dessen, was er hoffentlich mit Toleranz und Nächstenliebe meint." Komning ist sich sicher: Auch in MV würden CDU und Linke zur Not kooperieren: "Verbrüderungsszenen zwischen Lorenz Caffier und Peter Ritter sind ja schon Legende in Schwerin. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sich die CDU-Genossen um Kokert und Caffier mit den Linken ins Bett legen, wenn es die Konstellation hergibt."

Und Komning stellt klar: So lange sich die CDU nicht klar von links abgrenze, sei eine Zusammenarbeit mit der AfD ohnehin undenkbar. Die vermeintliche konservative Erneuerung der CDU sei bis dahin „nur ein leises Pfeifen im Walde“.