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Wiedervernässung

Hat der Moorschutz die A20 absacken lassen?

Tribsees / Lesedauer: 3 min

Schon die Dänen versanken dort vor 900 Jahren, später wurde das Moor zwischen Mecklenburg und Vorpommern trocken gelegt. Seit knapp 20 Jahren wird es wiedervernässt. Welchen Einfluss das auf die A20 gehabt hat, soll nun geklärt werden.
Veröffentlicht:23.10.2017, 08:11
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Ungeheure Gefahren, faulige Sümpfe, schlammige Abgründe: Diese Beschreibungen muten wie die dunklen Phantasien eines Thriller-Autors an, doch sie stammen von einem der glaubhaftesten Chronisten des 12. Jahrhunderts: Saxo Grammaticus (1140-1220). Ungefähr dort, wo heute die A20 das Moor zwischen Mecklenburg und Vorpommern quert und ein im Moor abgesacktes Autobahnstück für Ärger sorgt, ereilte den Dänenkönig Waldemar I. (1131-1182) ein ähnlich gruseliges Schicksal.

Geflochtene Weidenmatten für die Durchquerung des Moores

Saxo Grammaticus berichtet in seiner "Gesta Danorum" (1171), wie sich Waldemar beim Kriegszug gegen die verhassten Slawen nach Rügen vorzuarbeiten versuchte und gnadenlos im Land der Zirzipanen (Dargun-Demmin-Güstrow) im Moor zu scheitern drohte. In blumigen Ausschmückungen beschreibt er die Hilflosigkeit der Truppen, deren Pferde tief in den Schlamm gesogen wurden und die - um die furchtbaren Aussichten eines Versinkens zu mildern - Waffen und Rüstungen abstreiften.

Erst durch geflochtene Weidenmatten, die sie zur Gewichtsverteilung auf den sumpfigen Grund legten, gelang ihnen die Durchquerung des Moores.

Land beginnt 2000 mit umfangreichen Maßnahmen zur Wiedervernässung

Das Grenztalmoor zwischen Mecklenburg und Vorpommern war also nicht grundlos schon immer dünn besiedelt. Wie aus Unterlagen des Umweltministeriums hervorgeht, begann Mitte des 18. Jahrhunderts die großflächige Entwässerung des Moores. Die Bewohner machten sich das Land zu Eigen, sie stachen Torf, legten Kanäle an, um den Torf zur Saline nach Bad Sülze zu transportieren. An der Entwässerung des Areals wurde bis in die 1990er-Jahre festgehalten. Im Jahr 2000 begann das Land im Zuge des Moorschutzprojektes mit umfangreichen Maßnahmen zur Wiedervernässung.

Ob die Wiedervernässung am Absacken der Brücke Schuld sein könnte, müsse geklärt werden, forderte die CDU-Landtagsabgeordnete Beate Schlupp. "Wir müssen uns mit dieser Frage beschäftigen, um Fehler in der Zukunft vermeiden zu können." Eine Sprecherin des Verkehrsministeriums sagte, dass davon auszugehen sei, dass sich die Gutachten auch mit dieser Frage beschäftigen werden.

Aus dem Umweltministerium hieß es, dass keine Moorschutzprojekte in unmittelbarer Nachbarschaft zur Autobahn umgesetzt wurden. Diese Angabe steht jedoch im Widerspruch zu einer Karte des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie, die für 2000-2007 nördlich der A20 bei Langsdorf eine Moornaturierung auf 616 Hektar ausweist.

Strömung macht Damm-Bau unmöglich

Ein Durchströmungsmoor wie Trebel und Recknitz ist wie ein langsam strömender Fluss, der mit "Gras"gefüllt und bedeckt sei, sagt Moorkundler und Paläoökologe, Professor Hans Joosten, vom Greifswald Moor Centrum. "Ein lebendes Moor enthält 95 Prozent Wasser und damit mehr als Milch." Deshalb seien auch Bauwerke über Moore, gerade über Durchströmungsmoore wie das an der A20, höchst anspruchsvoll.

Strömendes Wasser habe eben eine beträchtliche Kraft. "Und gerade die Strömung macht es unmöglich, dort einen geschlossenen Damm zu bauen." Wenn man einen Baukörper auskoffere, bremse dieser den gesamten Wasserfluss ab. Auch "schwebend" verlegte Schwimmkörper drückten sich in den meterdicken Torf hinein und verdichteten diesen. "Alles was man dort reinbringt, verzögert und blockiert den Wasserabstrom", sagt Joosten.