StartseiteRegionalInsel Rügen▶ Fang seines Lebens bringt Fischer Ärger ein

Zoff auf Rügen

▶ Fang seines Lebens bringt Fischer Ärger ein

Schaprode / Lesedauer: 4 min

Arno Gau von Hiddensee hat kürzlich den Fang seines Lebens gemacht. Dafür erntet er nun Hass und Drohungen. Rotten Fischer wie er die Hechte im Bodden aus oder sind doch die Angler Schuld?
Veröffentlicht:21.01.2021, 19:44

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Es war der Fang seines Lebens. Der Hiddenseer Fischer Arno Gau hat kürzlich im Bodden vor Rügen auf einen Schlag eine Tonne Hecht gefangen, mehr als 200 Fische. Überglücklich brachte er seinen Rekordfang im Hafen von Schaprode an Land und ließ sich dabei filmen. Seine Freude währte nicht lange. Wenige Tage später sieht sich der 71-Jährige massiver Kritik im Internet ausgesetzt.

Der Hamburger Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel, bekannt aus zahlreichen Medienauftritten, hat das Hiddenseer Urgestein aufs Korn genommen. Fischer wie Arno Gau seien Schuld daran, dass es immer weniger Boddenhechte gibt. Gau fische auch in den Schongebieten des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft und verschone auch jene Tiere nicht, die kurz davor sind, zu laichen.

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Der Hamburger findet das schrecklich

„Das ist einfach schrecklich”, sagte der Anwalt dem Nordkurier. Er betonte, nicht gegen Arno Gau als Person vorgehen zu wollen. Arno Gau sei nur ein Beispiel für den Missstand in seiner ganzen Branche und habe jetzt „einfach Pech gehabt”, dass er sich filmen ließ. Joachim Steinhöfel kritisiert, dass „es bei dem wichtigen Wirtschaftsfaktor Hecht keinerlei Quote für die Fischer gibt, für Angler aber schon”. „Die Fischer können entnehmen, so viel sie wollen. Das ist legalisierter Raubbau. Was in Dänemark und Schweden verboten ist, ist am Bodden gestattet.“

Äußerst fragwürdig sei die von Fischereiminister Till Backhaus (SPD) gebilligte gewerbliche Fischerei in den Schutzzonen des Nationalparks. „In Mecklenburg-Vorpommerns Gewässern passieren noch ganz andere Dinge, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Was ich als Hamburger mitbekomme, ist garantiert nur die Spitze des Eisbergs. Es kann nicht sein, dass es erlaubt ist, in Naturschutzgebieten zu fischen, und dass es für Hechte keine Fangquote gibt.”

Ohne Hechte weniger Angler

Die ganze Region lebe davon, dass Hobbyangler ihren Urlaub dort verbringen. Er selbst angle in seiner Freizeit auch leidenschaftlich gern. Ohne Hechte sei die Region jedoch weit weniger attraktiv. Hier sei die Politik gefragt. „Fischern wie Arno Gau aus Hiddensee, die für den skrupellosen Kahlschlag unter Laichfischen verantwortlich sind, muss endlich das Handwerk gelegt werden.”

Das im Internet verbreitete Video hat, wie häufig in den sogenannten sozialen Netzwerken, eine regelrechte Hetzkampagne ausgelöst. Arno Gau bekommt seit Tagen Drohungen. „Man will mein Boot versenken, meine Netze zerstören und Schlimmeres. Ich werde jetzt erstmal nicht mehr fischen. Mir reicht's.”

Till Backhaus ist besorgt. „Es ist für mich nicht hinnehmbar, dass Menschen, die ihren Beruf ausüben, aufgrund von unsachlichen Diskussionsbeiträgen im Internet körperlich bedroht werden. Es verbietet sich jede Art von Gewalt, sei es in Form von Drohungen über soziale Medien oder auch in der realen Welt. Wer sich an Gesetze und Vorgaben hält, muss ungehindert seinen Lebensunterhalt verdienen können. Nach dem, was wir derzeit über den Fang des Fischers wissen, ist dieser nicht zu beanstanden”, teilte Till Backhaus am Donnerstag mit.

Hechtbestände gehen zurück

Der einmalige Fang stelle keine Bedrohung für den Boddenhecht dar. Doch genau das ist falsch, sagt Joachim Steinhöfel. Dies sei nämlich kein einmaliger Fang, sondern komme regelmäßig vor. Es sei eben nur das erste Mal, dass die Anlandung der Fische gefilmt und ins Netz gestellt wurde.

Tatsächlich gehen die Hechtbestände im Bodden drastisch zurück. Es gibt sogar ein Forschungsprojekt, bei dem untersucht wird, woran das liegt. Till Backhaus sieht bislang keine Veranlassung, das Fischereigesetz zu ändern.

„In dem aktuellen Fall geht es offenbar nicht um die Sorge um möglicherweise bedrohteFischbestände, sondern auch um die Konkurrenz von Freizeitanglern und Berufsfischern. Die Berufsfischerei steht wegen drastisch gekürzter Fangquoten und der Corona-Pandemie mit dem Rücken zur Wand. Sie jetzt in einer Neiddebatte zum Sündenbock machen zu wollen, ist für mich nicht hinnehmbar und führt vollständig an der Sache vorbei. Ob die Sorge um die Hechtbestände berechtigt ist, und wie die Hechtbestände in den rügenschen Küstengewässern zukunftsfähig bewirtschaftet werden sollten, lassen wir aktuell wissenschaftlich klären.”

Für den Fischer von Hiddensee steht der Schuldige am Rückgang der Hechte genauso zweifelsfrei fest, wie für den Anwalt aus Hamburg: Verantwortlich sind für den Fischer die Angler. „Von uns Fischern gibt es nur noch ganz wenige, Angler gibt es Hunderttausende. Und sie alle angeln Hechte.”