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Finanzskandal um JVA Waldeck bleibt Verschlusssache

Waldeck / Lesedauer: 4 min

Vor rund 30 Jahren hatte sich das Land MV von einem privaten Investor die JVA Waldeck errichten lassen. Das Projekt entwickelte sich zum Finanzskandal, von dem wenig an die Öffentlichkeit dringt.
Veröffentlicht:15.11.2022, 13:03

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Der Finanzskandal rund um die JVA Waldeck bei Rostock wird wohl weiter Verschlussache bleiben. Ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue gegen einen früheren Abteilungsleiter im Finanzministerium könnte demnächst eingestellt werden, wenn er bis zum 30. November eine Geldauflage von 20.000 Euro bezahlt. Darüber berichtet der „Spiegel” am Dienstag.

Das Nachrichtenmagazin beschäftigt sich in einem langen Bericht mit den Vorgängen rund um das Gefängnis, das in Öffentlich-Privater-Partnerschaft (ÖPP) errichtet wurde. Demnach hatte der frühere Beamte 1994 für das Land Mecklenburg-Vorpommern den Mietvertrag mit einem privaten Investor unterschrieben, der das Gefängnis nach Wünschen des Landes errichtet hatte. Gegen ihn wurde 2018 Anklage wegen des Verdachts auf Untreue erhoben.

Ein Prozess fand aber nie statt, das Landgericht Schwerin habe schließlich im August 2022 entschieden, das Verfahren gegen die Geldauflage einzustellen. Der „Spiegel” zitiert einen Sprecher des Gerichts, der umfangreiche andere Verfahren” und „personelle Wechsel” als Ursache nennt.

„Grotesk über den Tisch gezogen”

Dabei wird um eine Aufarbeitung seit Jahren gerungen. So hatte sich der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern bereits 2014 mit ausufernden Kosten rund um die JVA Waldeck beschäftigt. Finanzministerin Heike Polzin begründete ihre restriktive Informationspolitik damals mit anderen laufenden strafrechtlichen Ermittlungen. Seinerzeit wurde schon gegen einen früheren Finanzstaatssekretär wegen Bestechlichkeit ermittelt, ein Verfahren, das wegen Verjährung eingestellt wurde. Gegenüber dem „Spiegel” hatte dieser frühere Staatssekretär nun erneut alle Korruptionsvorwürfe als „schlicht erfunden” von sich gewiesen.

Im Raum steht, dass sich das Land bei dem Gefängnisprojekt schlichtweg hat „grotesk über den Tisch ziehen lassen”, wie es der „Spiegel” formuliert. Ein „Finanzskandal, in den die Landesregierung heillos verstrickt” sei. Die Investoren hatten das Gefängnis mit 400 Haftplätzen für 53 Millionen Euro errichtet und dann an das Land vermietet. So sind seit Mietbeginn 1996 bereits mehr als 107 Millionen Euro an Mietzahlungen geflossen, derzeit 4,15 Millionen im Jahr. Der Ursprungsvertrag sei durch spätere „Abreden” mehrfach geändert worden, so der „Spiegel”, der mit damaligen Projektbeteiligten gesprochen hat. Es habe einen „Freibrief zum Großbetrug” gegeben, sagt einer. So hätten die Investoren mit Billigung des Finanzministeriums stets noch bessere Konditionen für sich durchgedrückt – Mithilfe der Beamten, die ihnen zuspielten.

30 Jahre nach Abschluss läuft der ursprüngliche Mietvertrag im Jahr 2026 aus. Laut Vertrag wird das Land bis dahin Mietkosten in Höhe von mindestens 124 Millionen Euro an die privaten Investoren gezahlt haben. Um diese abzufedern, plant das Finanzministerium schon seit Jahren, das Gefängnis früher zu übernehmen. Denn zum Mietende steht dem Land ein vorzeitiges Ankaufsrecht zu und davon möchte es auch Gebrauch machen, um weitere Kosten zu sparen. Im Falle so einer sofortigen Übernahme hatte sich das Land verpflichtet, mindestens die Restschulden des Investors zu übernehmen, laut „Spiegel” wohl deutlich mehr als 37 Millionen Euro, die bisher zum Mietende veranschlagt wurden.

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155 Millionen Euro – dreimal mehr als nötig

Am Ende könnte das Land für das Gefängnis in Waldeck dreimal mehr bezahlt haben, als nötig. Insgesamt mehr als 155 Millionen Euro, wie bereits in der Landtagssitzung 2014 der Grünen-Abgeordnete Johannes Saalfeld vorrechnete – bei Baukosten von 53 Millionen Euro. Privat finanzierte Projekte für die öffentliche Hand (ÖPP), die in den 90er-Jahren häufiger versucht wurden, seien „ein Kind ihrer Zeit” gewesen, rechtfertigte damals die Justizministerin Polzin. Man müsse die „Entscheidung auch aus der seinerzeitigen Situation heraus sehen“, wird 2014 auch ein Ministeriumssprecher in einem Nordkurier-Bericht zitiert. Dafür wären die Investoren beim Bau schneller gewesen, als es das Land jemals hätte sein können.

Was sich nicht beweisen lässt. Für die Verträge aus den 90er-Jahren würden heute beim Land nur noch „dürftige Belege” vorliegen, wie die „Ostsee-Zeitung” 2019 schrieb. Der Bund der Steuerzahler bezeichnete Waldeck schon in seinem Schwarzbuch 2014 als „sündhaft teuer”. Ein Geschäft, an dem „leider nur privaten Investoren” verdient hätten, der Staat aber draufzahle. Oder auch: „Eine Katastrophe mit Ansage”, wie es René Domke, Fraktionschef der FDP im Schweriner Landtag, heute formuliert.

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