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Corona-Krise, Wahlen, Skandale

Manuela Schwesig spricht über schwere Entscheidungen

Schwerin / Lesedauer: 7 min

Kann Manuela Schwesig in der Corona-Krise ruhig schlafen? Wie geht es mit anderen Problemen weiter – rechte Umtriebe bei der Polizei, Funklöcher und Awo-Affäre? Das sagt die MV-Ministerpräsidentin im Nordkurier-Interview.
Veröffentlicht:28.08.2020, 18:00

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Frau Schwesig, Sie wirken in diesen Tagen und Wochen trotz der stressigen und herausfordernden Corona-Krise sehr bestimmt und überzeugt. Woher kommt diese Selbstsicherheit?

Mein Hauptziel ist, das Land gut und sicher durch die Krise zu uns führen. Das ist mein Antrieb. Diese Krise ist eine Ausnahmesituation für uns alle. Als Regierung müssen wir schwere Entscheidungen treffen. Deshalb beraten wir alle wichtigen Schritte in der Landesregierung, aber auch mit den Kommunen, mit der Wirtschaft, mit Gewerkschaften, mit den Fraktionen im Landtag. Wir holen uns Rat von Medizin-Experten, diskutieren untereinander. Und dann treffen wir eine gemeinsame Entscheidung und setzen sie auch um. Ich halte es für wichtig, auch in der Krise klar zu sein und Orientierung zu geben.

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Diese Krise ist für alle Neuland, es gibt keine Blaupause. Haben Sie auch Momente, in denen Sie zweifeln, ob Sie die richtigen Entscheidungen treffen?

Zweifel nicht, aber wir wägen die Entscheidungen ab. Beispiel Schule: Wir wussten, wenn wir die Abstandsregeln in den Schulen einhalten wollen, dann müssten wir die doppelte Anzahl von Räumen und Lehrern haben. Deshalb haben wir uns nach etlichen Gesprächen und Beratungen mit Medizinern und Praktikern für den täglichen Regelbetrieb mit Sicherheitskonzepten entschieden. Parallel haben wir die klare Marschroute: Wenn es in einer Schule eine Infektion gibt, wird vor Ort punktuell gehandelt, getestet – und wenn es nötig ist – eine Klasse oder auch einmal eine ganze Schule für ein paar Tage geschlossen. Wenn ich mich inhaltlich in ein Thema voll rein gehängt habe, dann habe ich auch ein gutes Gefühl und kann verantwortungsbewusst entscheiden.

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Bedingt durch die Corona-Krise und ihrem Amt als Ministerpräsidentin sind Sie aktuell omnipräsent – und die mit Abstand bekannteste Politikerin in Mecklenburg-Vorpommern. Jetzt aber kommt mit Michael Sack ein Landrat aus Vorpommern-Greifswald um die Ecke, fordert Sie heraus und will Sie „aus der Staatskanzlei vertreiben“. Eigentlich können Sie die Landtagswahl im kommenden Herbst doch nur verlieren, wenn Sie Michael Sack unterschätzen – oder?

Um es ganz klar zu sagen: Die Landtagswahl ist in einem Jahr. Wir aber stehen jetzt in der Verantwortung, die Corona-Krise zu meistern. Wir müssen der Verantwortung gerecht werden, dass unsere Bürger gesund durch die Corona-Krise kommen und die Wirtschaft gut die Pandemie übersteht und die Arbeitsplätze sicher sind. Da ist nun wirklich kein Platz für parteipolitisches Geplänkel.

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Das ist in der CDU aber offenbar anders – die Christdemokraten äußern mehr oder weniger offen ihre Befürchtung, dass Sie die Union im nächsten Jahr als Koalitionspartner abservieren und künftig auf rot-rot-grün setzen. Können Sie der CDU Hoffnung machen, dass sie auch künftig mit am Kabinettstisch sitzt?

Wir haben eine gemeinsame Regierung mit der CDU. Die arbeitet erfolgreich. Ich erwarte, dass wir diese gute Zusammenarbeit bis zur Wahl fortsetzen. Dann entscheiden die Bürgerinnen und Bürger. Es gibt jetzt überhaupt keinen Grund, jetzt über Koalitionen zu spekulieren.

Aber Frau Schwesig, Hand aufs Herz: Könnte rot-rot-grün in Mecklenburg-Vorpommern nicht ab 2021 ein Modell sein, das dann langfristig auch im Bund gespielt werden kann? Mit einer Manuela Schwesig in einer Führungsrolle?

Eines haben die vergangenen Monate doch deutlich gezeigt: Mein Herz schlägt für MV! Und ich wäre der glücklichste Mensch, wenn mir die Bürgerinnen und Bürger bei der Landtagswahl im nächsten Jahr das Vertrauen aussprechen. Ich habe definitiv keine persönlichen Pläne, die die Jahre 2025/26 betreffen. Ich gebe Hier und Heute mein Bestes.

Das möchte sicherlich auch Olaf Scholz machen. Er blickt schon auf das Jahr 2021 und ist Kanzlerkandidat der SPD. Kann Scholz, den seine eigene Partei nicht als Vorsitzenden haben wollte, Kanzler?

Ja. Er ist ganz entscheidend verantwortlich dafür, dass Deutschland in den vergangenen Monaten vergleichsweise gut durch die Krise gekommen ist. Olaf Scholz ist ein erfahrener Politiker, der Deutschland gut führen kann. Und die Chancen der SPD stehen besser als bei den vergangenen drei Wahlen. Denn für die CDU wird erstmals seit 15 Jahren der Merkel-Bonus wegfallen. Das schlägt sich für die SPD jetzt zwar noch nicht in den Umfragen positiv nieder – aber in der Wahlkabine wird es 2021 anders aussehen.

Ganz maßgeblich sind Mitglieder der SPD auch in Skandale und Affären der Arbeiterwohlfahrt (Awo) involviert. Ist es noch zeitgemäß, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern nur noch sechs Landkreise haben, die Awo und auch andere Wohlfahrtsverbände sich aber 15 oder 16 gut dotierte Kreisgeschäftsführer leisten?

Es ist ganz klar – und das habe ich als Zeugin vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss betont –, jeder Euro aus öffentlichen Geldern muss auch bei den Menschen ankommen, bei denen, die die soziale Arbeit machen von der Kita bis zum Pflegeheim und vor allem bei den Menschen, die unsere Unterstützung brauchen. Tausende Mitarbeiter und Ehrenamtliche engagieren sich tagtäglich in den Sozialverbänden. Deren Arbeit darf nicht durch das Fehlverhalten Einzelner in Misskredit gezogen werden. Wo es Missstände gibt, müssen sie aufgeklärt werden. Dazu ermittelt ja in einigen Fällen auch die Staatsanwaltschaft. Es ist extrem wichtig, dass wir Transparenz in den Sozialverbänden schaffen – dazu haben wir eigens ein neues Gesetz verabschiedet. Und: Bei den von Ihnen angesprochenen Skandalen sind keine Mittel aus der Landesförderung geflossen.

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Aber was ist mit den vielen, vielen Kreisgeschäftsführern – passen die noch in diese Zeit?

Sicherlich müssen die Sozialverbände ihre eigenen Strukturen überprüfen und überdenken. Ich habe dazu auch ein intensives Gespräch mit dem Awo-Bundesvorsitzenden geführt. Er hat mir berichtet, dass der Awo-Bundesverband Maßnahmen für mehr Transparenz und Kontrolle beschlossen hat. Ich aber stelle mich vor die große Mehrheit der ehrlichen Mitarbeiter in den Sozialverbänden – die dürfen wir nicht in einen Topf mit jenen Leuten werfen, gegen die die Justiz ermittelt.

Neben der Wohlfahrt gibt es noch ein weiteres Thema, das die Bürger in MV mächtig beschäftigt: die gefühlten tausend Funklöcher, die mobiles Telefonieren in MV in weiten Teilen des Landes immer noch unmöglich machen. Was ist da los?

In der Tat, schnelles Internet und Mobilfunk müssen besser werden. Aber: Seit dem Christian Pegel als Infrastrukturminister sich dafür stark gemacht hat, dass Bundesmittel und in Ergänzung Landesmittel in den Breitbandausbau fließen und die Kommunen vor Ort zu 100 Prozent unterstützt werden, geht es voran. Vielerorts rollen inzwischen die Bagger. Das Problem war, dass die Landkreise ein ganz unterschiedliches Tempo bei den Planungen vorgelegt hatten. Das hat an manchen Stellen Zeit gekostet. Auch beim Mobilfunk steuern wir mit einem Landesprogramm nach.

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MV ist aufgrund von Vorfällen bei Polizei und Verfassungsschutz negativ in die Schlagzeilen geraten. Schlafmützigkeit bei der Weitergabe von wichtigen Informationen von V-Leuten, rechte Umtriebe bei Polizei und SEK, eine ausgewachsene Prepper-Szene – das kann Ihnen als sozialdemokratischer Regierungschefin nicht gefallen.

Nein, tut es auch nicht. Aber wir sehen, Nazis kommen nicht mehr allein mit Glatze und Springerstiefeln daher. Rechtsextreme Strukturen haben sich in unserer Gesellschaft ausgebreitet. Da müssen wir auch im Bereich der Polizei energisch gegensteuern und die Vorfälle konsequent aufarbeiten. Da ist der Innenminister dabei, erste personelle und inhaltliche Umstrukturierungen sind schon erfolgt. Dafür hat er meine Unterstützung. Aber da sind wir noch nicht am Ende. Extremisten haben in der Polizei nicht zu suchen – auch damit die gute und verlässliche Arbeit der ganz großen Mehrheit der Polizistinnen und Polizisten nicht beschädigt wird.

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