StartseiteRegionalMecklenburg-VorpommernMilliarden-Streit über „Schattenhaushalt” der MV-Regierung

Corona-Sondervermögen

Milliarden-Streit über „Schattenhaushalt” der MV-Regierung

Schwerin / Lesedauer: 3 min

Ein Urteil aus Hessen bringt die MV-Regierung in Bedrängnis. Der milliardenschwere Corona-Schutzfonds könnte verfassungswidrig sein. Die Opposition greift das direkt auf.
Veröffentlicht:28.01.2022, 09:19

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René Domke ist zwar ein politischer Neuling im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns, doch als ausgebildeter Diplom-Finanzwirt kennt sich der FDP-Fraktionschef mit Zahlen nicht nur bestens aus – der Liberale ordnet sie auch entsprechend ein. Und so mahnte Domke in der Landtagsdebatte zum umstrittenen Corona-Sondervermögen, den die Landesregierung im ersten Pandemiejahr mit 2,85 Milliarden Euro an Krediten üppig ausgepolstert hatte, dass dieser MV-Schutzfonds „kein Schattenhaushalt für Herzensprojekte der Regierung” sein dürfe.

Eine Mahnung, die einen ernsten Hintergrund hat. Denn am 27. Oktober vergangenen Jahres erklärte der Hessische Staatsgerichtshof einen ähnlichen strukturierten Corona-Schutzfonds der dortigen schwarz-grünen Landesregierung für verfassungswidrig. Begründung der Richter: Das Sondervermögen verstoße gegen das Budgetrecht des Landtages. Mit dem Budgetrecht hat der Hessische Landtag die Möglichkeit, jährlich den Haushalt festzulegen. Das Sondervermögen mit seinen insgesamt 12 Milliarden Euro wurde aber bis zum Jahr 2023 festgelegt.

Weiter monierte der Staatsgerichtshof in Hessen, dass mit dem Sondervermögen gegen die Schuldenbremse verstoßen werde, die in die Verfassung aufgenommen wurde und die Aufnahme neuer Schulden grundsätzlich verbietet. Der Staatsgerichtshof verwies auf die Möglichkeit, dass im Fall einer besonderen Notsituation oder eine Naturkatastrophe die Aufnahme neuer Schulden über Kredite als Ausnahmefall möglich sei. Im Gesetz zum Sondervermögen seien aber unter anderem nicht hinreichend die Zwecke festgelegt worden, für die kreditfinanzierte Mittel vergeben werden könnten.

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Klage vor dem Landesverfassungsgericht

Genau dort setzt auch die Kritik der Opposition im MV-Landtag an. Die Finanzmittel für das Sondervermögen sind lediglich zur „unmittelbaren Bekämpfung der durch die Corona-Pandemie verursachten Notlage einzusetzen”, sagte Marc Reinhardt von der CDU. „Die Corona-Kredite für alles zu verwenden, solange es nur irgendwie und irgendwann dazu dient, die wirtschaftliche Entwicklung zu stützen oder Probleme zu lösen, die während der Corona-Pandemie besonders deutlich hervortraten, ist nicht rechtens.”

Martin Schmidt von der AfD ergänzte: „Die Landesregierung hat sich wie in einer Monarchie einen Reptilienfonds gegönnt. Da werden Investitionen finanziert, die nichts mit der Bekämpfung der Pandemie zu tun haben.” Schmidt nannte in dem Zusammenhang 360 Millionen Euro für die Uniklinik Rostock, um den jahrelangen Investitionsstau zu lösen, 100 Millionen Euro für ein seit Jahrzehnten notwendiges Schulbauprogramm und 200 Millionen Euro, um den Breitbandausbau in MV voranzutreiben. Vor diesem Hintergrund hat die AfD gegen das Sondervermögen Klage vor dem MV-Landesverfassungsgericht eingereicht.

Verwunderung bei der Regierung: CDU hatte Sondervermögen mitgetragen

Aufgrund des laufenden Verfahrens wollte sich auch kein Regierungsvertreter in der Landtagsdebatte zu Wort melden. Für die SPD ging lediglich der Abgeordnete Tilo Gundlack ans Rednerpult. Er verwies nochmals auf die Pandemie bedingte finanzielle Krisenlage und sicherte zu, dass die „Bedarfe für finanzielle Hilfen fortlaufend überprüft würden”. Torsten Koplin von der Linksfraktion, Regierungspartner der SPD im rot-roten Bündnis, sprang Gundlack zur Seite und wunderte sich über den „Paradigmenwechsel der CDU”. Die habe doch das Sondervermögen als damaliges Mitglied der Großen Koalition maßgeblich mit auf den Weg gebracht, bemerkte Koplin süffisant in Richtung CDU-Riege.

Reinhardt konterte: „Die CDU-Fraktion hat die im Jahr 2020 beschlossenen Nachtragshaushalte mitgetragen, als die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie extrem pessimistisch eingeschätzt wurden und ein seit dem Zweiten Weltkrieg beispielloser Wirtschaftseinbruch drohte.” Verantwortungsvolle Haushaltspolitik müsse jedoch in der Lage sein, sich zu korrigieren, wenn die Umstände sich änderten. Der CDU-Politiker äußerte aufgrund der Schweigsamkeit der Landesregierung den Verdacht, dass man dort ein schlechtes Gewissen habe, da bei den laufenden Gespräche zur Haushaltsaufstellung der Schutzfonds wahrscheinlich schon eifrig geplündert werde.