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Simone Oldenburg

MV will ukrainische Schulkinder in Extraklassen stecken

Schwerin / Lesedauer: 3 min

Über 4500 Kinder aus der Ukraine nehmen in MV am Unterricht teil. Dass in diesem „atmenden System” die Luft bisweilen dünn wird, weiß die Ministerin.
Veröffentlicht:22.09.2022, 19:39

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Simone Oldenburg gehört zu jenen mittlerweile eher wenigen Politikern, die pragmatisch und robust anpacken. Wo andere sich vielleicht in wohlklingenden Sätzen und Sonntagsreden verheddern, setzt die gelernte Lehrerin und heutige Bildungsministerin auf ihre Macherqualitäten.

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Dass die Linke dabei manchmal in der verkrusteten Bürokratie eines Ministeriums oder eines eher gemächlich funktionierenden Schulamtes auf Widerstände trifft, überrascht nicht. Vor diesem Hintergrund war es für alle Beteiligten in den vergangenen Monaten sicherlich eine große Herausforderung, jene aktuell 4557 ukrainischen Flüchtlingskinder in den Schulunterricht Mecklenburg-Vorpommerns zu integrieren.

Und so formulierte Oldenburg gestern bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Bildungskonzeption für die Jungen und Mädchen aus dem Kriegsgebiet gewohnt burschikos. „Der Krieg war natürlich in die langjährigen Schulentwicklungspläne nicht eingepreist. Kein Schulsystem ist darauf ausgelegt, plötzlich 5000 Kinder zusätzlich zu unterrichten. Wenn wir diese Luft und Kapazitäten hätten, hätten wir zuvor ja fahrlässige Schulentwicklungspläne aufgestellt, die im Bildungsministerium nie genehmigt worden wären.”

Keine Wohnsitzauflage für geflüchtete Ukrainer

Mit anderen Worten: Lehrer, Politiker, Beamte und Schüler müssen in diesem „atmenden System” (Oldenburg) flexibel reagieren, um für genügend Sauerstoff zum Leben zu sorgen. Beispielsweise erweist es sich bei der Beschulung als Nachteil, dass Flüchtlinge aus der Ukraine keine Wohnsitzauflage bekommen. Es könne also sein, dass eine Familie für vier Wochen in Schwerin lebt und die Kinder dort unterrichtet werden – und anschließend nach Greifswald umsiedelt und die Kinder dann dort Mathe und Deutsch lernen. Es sei ein Kommen und Gehen – mit viel Bewegung in alle Richtungen.

Um diese stetigen Veränderungen trotzdem in die Bildungslandschaft zu integrieren, setzt das Bildungsministerium auf Extraklassen – im Haus der Ministerin „Vorklassen” genannt. Ausländische Kinder werden dort die ersten ein bis zwei Jahre ihres Aufenthalts in MV unterrichtet. In diesen jahrgangsübergreifenden Klassen stehe das Erlernen der deutschen Sprache im Mittelpunkt, betonte Oldenburg.

„Sprache ist Teilhabe an Bildung, Teilhabe am Leben. Deshalb hat Sprache die oberste Priorität.” 20 Stunden pro Woche gehen die ukrainischen Kinder in diese Vorklassen – zehn Stunden steht allein das Deutschlernen auf dem Lehrplan.

Ein „atmendes System” – und ein Problem

Und was passiert, wenn im „atmenden System” kurzfristig Lehrer ausfallen? „Dann greifen wir auf unsere personelle Feuerwehr zurück. Dann holen wir uns Lehrer vom Institut für Qualitätsentwicklung. Dort sind Lehrer in Fort- und Weiterbildung aktiv”, sagte Oldenburg.

Dass der Umgang mit den ukrainischen Kindern nicht überall auf Gegenliebe stößt, liegt in der stets kontrovers diskutierten Bildungspolitik nahe. So meldete sich nach der Pressekonferenz Ulrike Seemann-Katz, Vorsitzende des Flüchtlingsrates, zu Wort. „Mecklenburg-Vorpommern verlässt mit den Extraklassen den in den vergangenen Jahren vorbildlichen Weg, Kinder von Anfang an in den allgemeinen Unterricht zu integrieren”, kritisierte Seemann-Katz – seit Jahren kommunalpolitisch für die Grünen aktiv. Ähnlich argumentierte auch die Lehrergewerkschaft GEW.

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Oldenburgs Replik: Die schnelle und unverzügliche Integration der Kinder aus der Ukraine in die herkömmlichen Klassen sei aufgrund der hohen Zahl an Zuzügen in kurzer Zeit nicht mehr überall zu leisten.

Da war sie wieder – die dünne Luft im atmenden System.