StartseiteRegionalMecklenburg-VorpommernNach Sturz von Seebrücke auf Usedom – jetzt spricht die Mutter

Kind in Ostsee gefallen

Nach Sturz von Seebrücke auf Usedom – jetzt spricht die Mutter

Zinnowitz / Lesedauer: 4 min

Ein Kleinkind fiel von der Seebrücke in Zinnowitz. Seine Mutter sprang sofort hinterher. Über den Hergang des Unfalls kursieren verschiedene Versionen. Die 34-Jährige redet Klartext.
Veröffentlicht:27.07.2021, 18:22

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Nachdem am vergangenen Freitag ein Kleinkind von der Seebrücke in Zinnowitz auf Usedom gestürzt war, meldet sich nun seine Mutter zu Wort. In der Öffentlichkeit kursiert die Darstellung, sie habe ihren zweijährigen Sohn für ein Foto auf das Geländer gesetzt. Von dort sei er abgstürzt. Das stimmt nicht, sagt die 34-Jährige.

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Sie käme im Leben nicht auf die Idee, ihr Kind einer solchen Gefahr auszusetzen. Der Unfall habe sich ganz anders zugetragen. „Ich war mit meiner Freundin und den Kindern im Urlaub. Die Männer waren dieses Mal zu Hause geblieben. Es war der letzte Abend. Ich wollte ein Abschiedsfoto im Sonnenuntergang auf der Brücke machen", berichtete die Brandenburgerin am Dienstag dem Nordkurier.

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Der Zweijährige und sein zehnjähriger Bruder hätten sich nebeneinander ans Geländer gestellt, da sei das Unglück geschehen. „Mein Großer hat sich hingehockt, um den Größenunterschied auszugleichen. Der Kleine ist zur Zeit total auf seinen Bruder fixiert, macht ihm alles nach. Als er sich auch hinhocken wollte, verlor er das Gleichgewicht und kippte nach hinten. Wären beide einen Schritt weiter vom Geländer entfernt gewesen, wäre er einfach auf den Po geplumpst und nichts wäre passiert.” So aber sei der Junge zwischen dem Boden und der untersten Geländer-Strebe hindurch gerutscht und fünf Meter in die Tiefe gestürzt.

Sie zögerte keine Sekunde

Seine Mutter zögerte nicht eine Sekunde, sprang ihrem Sohn sofort hinterher. „Meine größte Angst war, dass eine Welle kommt oder die Strömung ihn mitreißt. Wenn er unter Wasser geraten wäre...”, sie beendete den Satz nicht. „Ich glaube, ich kam nur einen Sekundenbruchteil nach ihm unten an.”

Da habe ihr Jüngster bäuchlings mit dem Gesicht nach unten im Wasser getrieben. „Ich hob ihn hoch, da fing er an zu weinen und ich wusste, dass das Schlimmste verhindert wurde.” Schnell seien ihr mehrere Menschen vom Strand zur Hilfe geeilt. Erst in dem Moment habe sie gemerkt, dass sie sich beim Sprung ins 50 Zentimeter flache Wasser selbst schwer verletzt hatte.

„Plötzlich kamen die Schmerzen. Mein Bein ist total kaputt. Es war ein offener Bruch. Ich sah meinen Knochen über den Schuh ragen. Ziemlich schnell wurde ich mit starken Schmerzmitteln versorgt.” Mit einem Rettungshubschrauber wurde die Frau aus dem Landkreis Barnim ins Krankenhaus nach Greifswald geflogen. Inzwischen wurde sie zwei Mal operiert und in ein Krankenhaus in Berlin verlegt, wo weitere Operationen folgen. Ihr Sohn überstand den Unfall unverletzt und konnte schnell nach Hause zum Papa.

Das Wohl ihrer Kinder steht an oberster Stelle

„Ich hoffe, dass auch der Ältere das alles verarbeitet. Ihn hat das ganz schön mitgenommen. Er musste ja alles mit ansehen.” Ob ihr Bein jemals wieder ganz in Ordnung kommt, sei zweitrangig. Wichtig sei ihr einzig und allein, dass es ihren Kindern gut geht.

Wie es zu der Darstellung kommt, sie habe das Kleinkind auf die Brüstung gesetzt, kann sich die Mutter nicht erklären. „Es kann keine Zeugen geben, die das gesehen haben, weil es nicht stattgefunden hat.” Achim Froitzheim, Sprecher des Landkreises Vorpommern-Greifswald, beruft sich auf Auskünfte aus der Rettungsleitstelle, diese wiederum auf Zeugen. Die Polizei ist mit dem Fall nicht weiter beschäftigt, da offensichtlich keine Straftat vorliegt, hieß es am Dienstag auf Nordkurier-Nachfrage.

Wenn ein Kind mir nichts dir nichts durchs Geländer rutschen kann, ist die Seebrücke in Zinnowitz dann überhaupt sicher? Daran hegt Carsten Nichelmann aus der Zinnowitzer Kurverwaltung keinen Zweifel. „So etwas ist dort in 25 Jahren nicht passiert.” Die Brücke Seebrücke solle in rund sieben Jahren erneuert werden, da sie sich für den mitunter enormen Wellengang in der Ostsee als zu niedrig herausgestellt habe. In diesem Zuge werde natürlich auch darüber nachgedacht, wie das neue Geländer beschaffen sein soll. Akuten Handlungsbedarf sehe er aber nicht.