StartseiteRegionalMecklenburg-VorpommernNachwuchsproduktion des Ostseeherings kommt nicht in Gang

Weniger Larven im Greifswalder Bodden

Nachwuchsproduktion des Ostseeherings kommt nicht in Gang

Greifswald / Lesedauer: 3 min

Auch in diesem Jahr schwächelt der Schwarmfisch. Grund ist offenbar der Klimawandel. Weil sich der nicht steuern lässt, müssen die Fänge reduziert werden.
Veröffentlicht:23.07.2018, 08:18
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Auch in diesem Jahr kommt die seit Jahren schwächelnde Nachwuchsproduktion der Heringe in seiner „Kinderstube“, dem Greifswalder Bodden, nicht in Gang. „Wie unsere Beprobungen im Greifswalder Bodden ergaben, haben wir es auch 2018 mit einem schwachen Jahrgang zu tun“, sagte der Direktor des Thünen-Instituts für Ostseefischerei, Christopher Zimmermann, am Montag.

Damit setze sich ein seit 2004 beginnender Abwärtstrend fort. Wie in jedem Jahr hatten die Fischereibiologen seit April Larvenproben von Heringen in dem Gewässer genommen. Dort werden rund 80 Prozent des Heringsbestandes in der westlichen Ostsee geboren.

Teil der Weibchen hat Steinrogen entwickelt

Die Forscher sehen die schlechte Nachwuchsproduktion in einer komplexen, durch den Klimawandel verursachten Kausalkette begründet. Das Ergebnis: „Die Temperatur in der Ostsee hat sich in den vergangenen 30 Jahren um 2,5 Grad erhöht mit der Folge, dass sich der fischbare Heringsbestand von etwa 200.000 Tonnen auf 110.000 in der westlichen Ostsee halbiert hat“, sagte Zimmermann.

Hinzu kam in diesem Jahr der Extrem-Winter. Bereits Im Januar war es noch sehr warm, die ersten Heringe schwärmten zum Laichen in den küstennahen, flachen Bodden. Ein von Februar bis Ende März anhaltender Frosteinbruch mit dickem Eis sorgte dann später dafür, dass der Großteil der Heringe nicht einschwimmen und ablaichen konnten. Rund 10 bis 15 Prozent der Weibchen hätten deshalb einen sogenannten Steinrogen entwickelt.

Höhere Temperaturen stören Nahrungskette

Während es sich bei dem JoJo-Winter 2017/2018 um ein seltenes, zuletzt 2012 beobachtetes Phänomen handelte, ist die Temperaturerhöhung in der westlichen Ostsee ein langfristiger Trend. Und dieser stört demnach die feinjustierte Nahrungskette für die Junglarven, die tendenziell wegen der wärmeren Temperaturen immer früher im Spätwinter schlüpfen. Die Larven benötigen, wenn nach etwa einer Woche deren Dottersack aufgezehrt sei, sofort Nahrung, erklärte Zimmermann.

Diese Nahrung – die Jugendstadien der Kleinkrebse (calanoide Copepoden – Hüpferlinge) – stehe ihnen aber so früh im Jahr noch nicht zur Verfügung, mit der Folge, dass die Larven verhungern. Anders als die Larven entwickelten sich die Kleinkrebse nicht temperatur-, sondern lichtgesteuert. Sie ernähren sich von Phytoplankton, das erst zu einem späteren Zeitraum wächst. Damit klaffen wichtige Faktoren in einer bislang geschlossenen Nahrungskette auseinander, wie Zimmermann sagte.

Die Forscher des Thünen-Instituts wollen die Ergebnisse in Kürze veröffentlichen. Dann läge der weltweit erste Nachweis dafür vor, wie der Klimawandel auf einen Küstenfischbestand wirke, sagte Zimmermann. Die Studie könnte auch zur Folge haben, dass man den umstrittenen Limitreferenzwert für die Biomasse an erwachsenem Hering in der westlichen Ostsee wieder nach unten korrigiert, weil die ökologischen Bedingungen inzwischen keinen größeren Bestand zulassen. „Denn weniger Larven bedeutet weniger Heringe.“