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80. Geburtstag

Naturschützer Michael Succow – „Die Zukunft ist weiblich”

Greifswald / Lesedauer: 5 min

Der Greifswalder Michael Succow hat große Gebiete der ehemaligen DDR für den Naturschutz gesichert. Die von ihm gegründete Stiftung ist auf der ganzen Welt aktiv.
Veröffentlicht:16.04.2021, 12:13
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Der Naturschützer und Stiftungsgründer Michael Succow hat die Rolle von Frauen bei der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen betont. „Die Zukunft ist weiblich”, sagte er anlässlich seines 80. Geburtstages am 21. April. Er traue von Frauen gesteuerten Gemeinschaften weit mehr Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit zu. Succow berief sich dabei unter anderem auf Erfahrungen, die er weltweit im Umgang mit indigenen Gemeinschaften gemacht habe.

Anfang des Jahres hatte seine Tochter, Kathrin Succow, von ihm den Vorsitz des Stiftungsrates der Succow-Stiftung übernommen. Frauen funktionierten anders als Männer, sagte die 55-Jährige. Sie seien im Allgemeinen teamorientierter und empathischer. Die Herausforderungen dieser Zeit brauchten Teams und die Integration verschiedener Perspektiven. „Es geht nicht um Polarisierung, es geht um Zusammenführen.”

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Die Stiftung will anecken

Sie habe die Stiftung von Anfang an begleitet, aber auch etwa Stiftungen für Privatbanken geführt, im öffentlichen Dienst oder als Pressesprecherin des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen gearbeitet. Mit ihrer Erfahrung will sie die Stiftung professionalisieren, wenn das auch nicht besonders „sexy” klinge. Die Stiftung sei eben nicht mehr „in der Start-Up-Phase”.

Trotz aller Professionalisierung: Die Stiftung will anecken – wie es schon ihr Gründer getan hat. „Eine Handbreit über dem Zulässigen zu agieren”, das war laut früheren Aussagen seine Haltung in der DDR. Er fiel etwa in Ungnade, weil er die Niederschlagung des Prager Frühlings kritisierte. Mit den heutigen dramatischen Umweltveränderungen hält die Gesetzgebung nach Meinung Succows mitunter nicht Schritt.

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Er habe von „klugen Menschen” gelernt, wenn etwas in Gesetze gebracht sei, sei es schon etwas von gestern. „Weil alles in Bewegung ist.” Seine Tochter sagt, für die Stiftung sei Haltung statt reiner Wissensvermittlung zunehmend wichtiger. Proteste wie etwa im Hambacher Forst gegen den dortigen Kohleabbau, halte sie für die einzige Chance auf Veränderung.

Sein Leben dem Schutz der Natur gewidmet

„Wir blicken hier in die Landschaft”, erklärt derweil der Naturschützer und Stiftungsgründer im virtuellen Gespräch, zu dem er sich aus dem Arbeitszimmer im ersten Stock seines Hauses in Greifswald zugeschaltet hat – mit Blick über eine Streuobstwiese bis zum Fluss Ryck. Es sei schön, sich auszutauschen, aber gleichzeitig eine noch halbwegs intakte, nicht verbaute Landschaft zu sehen. Die Natur lässt Succow nicht los. Ihrem Schutz hat er sein ganzes Leben gewidmet.

Dabei hat der brandenburgische Bauernsohn und in Greifswald promovierte Biologe einiges erreicht: Als stellvertretender Minister für Natur- und Umweltschutz der DDR sorgte er in der Übergangsregierung gemeinsam mit Gleichgesinnten 1990 dafür, dass heute große Gebiete in Ostdeutschland dem Naturschutz gewidmet sind.

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Dafür nahm er auch schon mal einen Staatssekretär des BRD-Umweltministeriums mit auf die Insel Vilm im Greifswalder Bodden, dem ehemaligen Urlaubsrefugium der DDR-Regierung. „Und dann habe ich gesagt, „jetzt schlafen Sie da in dem Bett von Erich Honecker”.” Gut geschlafen habe der nach eigener Aussage damals nicht. Dennoch ist die Insel mit ihren Jahrhunderte alten Rot- und Hainbuchen und bizarr geformte Stieleichen heute geschützt und bietet Besuchern ein einzigartiges Bild.

Alternativer Nobelpreis

„Der Naturschutz in Deutschland wäre ohne Michael Succow nicht das, was er heute ist”, erklärt etwa Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Succows „historische Leistung bei der Sicherung des „Tafelsilbers der Deutschen Einheit” in der Wendezeit” könne man nicht hoch genug einschätzen. Für diesen Coup erhielt Succow 1997 den Alternativen Nobelpreis und gründete mit den 100.000 D-Mark Preisgeld 1999 die nach ihm benannte Stiftung mit Sitz in Greifswald. Die Organisation widmete sich zunächst vor allem dem Naturschutz auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion und setzt heute weltweit Naturschutzprojekte um.

„Die Natur kennt keine Belobigungen, keine Strafen, sie hat nur Konsequenzen”, mahnt Succow. Und über die Konsequenzen macht er sich nach wie vor Sorgen. Umweltzerstörungen hätten Ausmaße erreicht, die für menschliche Zeiträume irreversibel seien. Durch seine Reisen rund um die Welt wisse er, wovon er rede. Die Menschen müssten anerkennen, dass sie Teil eines Ökosystems seien. Nur wenn wir das begriffen, wie viele kleine Völker, die er persönlich in den verschiedensten Teilen der Welt kennengelernt habe, könne es weitergehen.

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„Ausverkauf von Landschaften an Spekulierende”

Mit Blick auf die Organisation der Landwirtschaft in Ostdeutschland findet Michael Succow nach wie vor deutliche Worte: Von einem „Ausverkauf von Landschaften an Spekulierende” spricht er. Dass Deutschland das billigste Schweinefleisch der Welt exportiere auf Basis argentinischen und brasilianischen Sojas sei eine Fehlentwicklung, die nicht zukunftsfähig sei.

Der Austausch mit dem Bauernverband sei stehengeblieben. Hoffnung setzen die Succows hingegen in nachhaltigen Tourismus. Der Tourismus sei auf eine intakte Landschaft angewiesen, erklärt Michael Succow.