StartseiteRegionalMecklenburg-VorpommernNordosten vor Terrorattacken nicht sicher

Lorenz Caffier

Nordosten vor Terrorattacken nicht sicher

Schwerin / Lesedauer: 5 min

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister sieht den Rechtsstaat immer stärker in Bedrängnis – nicht nur durch Islamismus, sondern auch durch Rechts- und Linksextremismus.
Veröffentlicht:31.07.2018, 14:49
Artikel teilen:

Der demokratische Rechtsstaat sieht sich nach Ansicht von Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) Angriffen aus immer mehr Richtungen ausgesetzt. So habe die Aufdeckung zweier mutmaßlicher Anschlagspläne durch Islamisten gezeigt, dass auch der Nordosten vor Terrorattacken nicht sicher sei, erklärte Caffier am Dienstag in Schwerin bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für 2017.

Im Vorjahr war in Schwerin ein 20-jähriger Syrer festgenommen worden, dem inzwischen der Prozess wegen der Vorbereitung eines schweren Sprengstoff-Anschlags gemacht wird. Zwei in Güstrow lebende mutmaßliche Islamisten aus Bosnien wurden in ihr Heimatland abgeschoben.

Doch auch gewaltbereite Rechtsextremisten stellten - «trotz aktueller Ermüdungserscheinungen» in der Szene - weiterhin eine Gefahr für Freiheit und Demokratie dar. Hinzu kämen Gruppierungen wie Identitäre und Reichsbürger. Brennende Barrikaden und Plünderungen beim G20-Gipfel in Hamburg hätten zudem gezeigt, dass auch Anhänger der linksextremen Szenen nicht vor Gewaltexzessen zurückschreckten, sagte Caffier. An den Vorbereitungen und den Protesten beim Gipfel seien auch Aktivisten aus Mecklenburg-Vorpommern beteiligt gewesen.

Damit habe sich 2017 erneut gezeigt, dass Extremisten die Rechtsordnung nicht akzeptieren. Ihre ideologische Weltsicht diene als Rechtfertigung von Gewalt. Dies sei auch als Frontalangriff auf das staatliche Gewaltmonopol zu werten. «Es muss daher unmissverständlich klar sein: Wer das staatliche Gewaltmonopol in Frage stellt, handelt klar verfassungsfeindlich und hat mit Konsequenzen zu rechnen», machte Caffier deutlich.

Rechtextremismus

Der rechtsextremistischen Szene werden im Land etwa 1500 Anhänger zugerechnet, 50 mehr als im Vorjahr. Knapp die Hälfte wird als gewaltbereit eingestuft. Damit bestehe nach wie vor ein beachtliches Personenpotenzial, sagte Caffier. NPD und Kameradschaften bildeten das organisatorische Rückgrat der Szene, deren Aktionen sich vornehmlich gegen die Zuwanderung richteten. Fremdenfeindliche Gewalttaten liegen laut Minister weiterhin auf hohem Niveau, rassistische Propaganda werde unvermindert fortgesetzt.

Im Jahre 2017 wurden insgesamt 986 rechtsextremistisch motivierte Straftaten registriert, zum Großteil Propagandadelikte. Von 84 Gewaltstraftaten waren 74 fremdenfeindlich motiviert. Die Zahl der NPD-Mitglieder ging nach dem Verlust der Landtagsmandate 2016 nur um 10 auf 300 zurück, doch sei eine «deutliche Verunsicherung der NPD- Kader» zu verspüren und ein Rückgang der Aktivitäten. Caffier verwies auf die Bemühungen, der NPD die Zuwendung öffentlicher Mittel zu entziehen. «Für die NPD ist jeder Euro ein Euro zu viel. Wir müssen alles daransetzen, die NPD finanziell auszutrocknen», sagte er.

Als eigenständige extremistische Bestrebungen am rechten Rand werden die sogenannten Reichsbürger und die Identitären beobachtet. Die Zahl der Reichsbürger, von denen die Bundesrepublik samt ihrer Institutionen prinzipiell nicht anerkannt wird, habe sich seit 2016 von 300 auf inzwischen 400 erhöht. Noch unklar sei, woher dieser Zuwachs rührt. «Möglicherweise haben wir darunter auch einige Trittbrettfahrer», sagte Caffier. Viele Reichsbürger hätten eine besondere Affinität zu Waffen. Ziel sei, ihnen aus Sicherheitsgründen die Waffenscheine zu entziehen. Die Ablehnung der Rechtsordnung sei ein starkes Indiz für Unzuverlässigkeit. Für 36 Personen seien bislang Überprüfungsverfahren eingeleitet worden.

Linksextremismus

Die Aktivitäten der linksextremistischen Szene waren laut Bericht im Jahr 2017 maßgeblich durch den G20-Gipfel in Hamburg geprägt. So sei im Vorfeld der massiven Proteste bei der Wohnungsdurchsuchung bei einem gewalttätigen Linksextremisten in Bad Doberan «ein ganzes Waffenarsenal» gefunden worden, erklärte Caffier.

Als Linksextremisten gelten in Mecklenburg-Vorpommern etwa 450 Personen, 290 davon werden als gewaltbereit eingestuft. Die Zahl der linksextremistisch motivierten Straftaten stieg gegenüber 2016 von 64 auf 76. Die Zahl der Gewaltdelikte - zumeist gegen politische Gegner - halbierte sich auf elf. Häufig waren Parteibüros der AfD Ziel von Anschlägen.

Islamismus

Der islamistische Terrorismus stellt laut Caffier die größte Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik dar. Mecklenburg-Vorpommern sei dabei Teil des allgemeinen Gefahrenraumes. Dies sei vor allem durch die beiden im Vorjahr verhinderten Anschläge deutlich geworden. «Die Annahmen, dass in unserem Land so etwas nicht passiert, ist widerlegt worden», sagte Caffier.

Ende Juli 2017 waren in Güstrow in einer großangelegten Aktion von Bundesanwaltschaft, Bundes- und Landeskriminalamt zwei Bosnier unter Terrorverdacht festgenommen worden. Sie sollen zusammen mit einem dritten Verdächtigen, einem Deutschen, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet haben. Die Bosnier wurden kurz darauf in ihr Heimatland abgeschoben, die Ermittlungen führt die Bundesanwaltschaft.

Ende Oktober war dann in Schwerin ein 20-jähriger Syrer festgenommen worden, der seit Donnerstag in Hamburg vor Gericht steht. Laut Bundesanwaltschaft hatte er einen Sprengstoff-Anschlag geplant, um in einer Menschenmenge möglichst viele «Ungläubige» zu töten.

Die Zahl der in Mecklenburg-Vorpommern vermuteten islamistischen Gefährder schätzt der Verfassungsschutz auf einen «unteren einstelligen Bereich». Stark zugenommen hat die Zahl der Salafisten im Nordosten. Dieser islamistischen Bewegung werden im Land inzwischen 130 Personen zugerechnet. Ende 2016 waren es noch 85.

Der Verfassungsschutz hat die Aufgabe, frühzeitig Gefahren für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaat zu erkennen, um Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Sein Wirken, das jährlich in einem Bericht dokumentiert wird, ist nicht unumstritten. Kritik gab es insbesondere im Zusammenhang mit der Mordserie des rechtsextremen NSU. In Mecklenburg-Vorpommern zählt der Verfassungsschutz knapp 100 Mitarbeiter.