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Alarmierende Zahlen

Ostsee-Küstenfischer kurz vor dem Untergang

Schwerin / Lesedauer: 3 min

In MV existieren nur noch 220 Fischereibetriebe – kurz vor der Wende waren es 1380. Küstenfischer Kai Dunkelmann kämpft ums Überleben seiner Familie und fühlt sich von der Politik im Stich gelassen.
Veröffentlicht:26.08.2020, 06:17

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Die Stimme stockt, in den Augen stehen die Tränen. Wenn Kai Dunkelmann erzählt, dass er in vierter Generation Fischer ist und er so gerne seinen vier Kindern die Möglichkeit geben würde, diese Tradition fortzuführen, wird ihm stets schwer ums Herz.

„Mir liegt das im Blut, ich wurde als Fischer geboren und es tut unheimlich weh, dass ich meinen Kindern in Deutschland wohl keine Zukunft bieten kann“, sagt Dunkelmann und verweist auf die Existenzängste, die etliche Küstenfischer an der Ostsee in den vergangenen Jahren um den Schlaf gebracht und in den wirtschaftlichen Ruin getrieben haben.

Landesfischereiverband hat sich aufgelöst

Die sterbende Tradition der Küstenfischer hat jetzt sogar dazu geführt, dass sich der Landesfischereiverband mangels Masse und zahlender Mitglieder aufgelöst hat. Dabei wäre es gerade in der Krise wichtig, mit einer gemeinsamen und kräftigen Stimme zu sprechen, betont Dunkelmann, der jahrelang Mitglied der CDU in Boltenhagen war. In der heute beginnenden Sitzung des Landtages MV hat die Linksfraktion die Sorgen und Nöte der Küstenfischer aufgenommen und einen entsprechenden Antrag formuliert.

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Demnach soll der Landtag feststellen, dass die Zukunft der Kutter-und Küstenfischerei in Mecklenburg-Vorpommern stark bedroht sei. Das Überleben der Fischer mit immer geringeren Fangquoten von Dorsch und Hering sei kaum zu gewährleisten. Weiter heißt es: „Der Rückgang der Fischbestände ist dabei nicht von den handwerklichen Kutter-und Küstenfischern verursacht.“ Laut Kai Dunkelmann seien es vor allem die großen und industriell geprägten Schleppnetzfischer, die die Ostsee leer fischen und im Meer mit ihrer wenig schonenden Fangtechnik mächtig Schaden verursachten.

Ostsee-Unterwasserwelt ist wie Mondlandschaft

Um aber die Kutter-und Küstenfischerei als einen wichtigen, identitätsstiftenden Bestandteil des wirtschaftlichen Lebens des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern und nicht zuletzt ihre enorme touristische Bedeutung für die Küsten-und Hafenstädte zu erhalten, fordert die Linksfraktion die rot-schwarze Landesregierung auf, bis zum 31.Dezember 2020 ein Rettungskonzept gemeinsam mit allen Beteiligten zu entwickeln. Motto: „Ein runder Tisch für den Fisch.“

Für Dunkelmann ist klar: „Wir brauchen für uns kleine Fischer eine Grundfangquote, von der wir eine Familie ernähren können. Es kann nicht sein, dass nur die großen Industriefischer die fetten Fangquoten absahnen.“ Der 40-Jährige kennt seine Ostsee wie seine Westentasche – und fällt ein vernichtendes Urteil über den Zustand des Meeres: „Der Ostsee als Biotop geht es richtig schlecht. Das sind die Folgen der Überfischung und der industriellen Landwirtschaft, deren Chemie irgendwann in der Ostsee landet.“ Nach Auskunft des Küstenfischers sehe es in Teilen der Unterwasserwelt in der Ostsee wie eine Mondlandschaft aus. Viele Ecken – gerade im Flachwasserbereich, dort wo die Gewässer stehen – seien komplett abgestorben.

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Kai Dunkelmann schätzt, dass es 60 bis 80 Jahre dauern würde, bis sich die Ostsee wieder regeneriert. Die Ostsee sei halt aufgrund ihrer Lage „ein stehender Teich“. Da gebe es keinen großen Wasseraustausch – so wie beispielsweise im Atlantik. Bisher aber läuft Dunkelmann mit seinen Warnungen und Mahnungen bei den politisch Verantwortlichen gegen eine Wand. Der in MV für die Fischerei zuständige Minister Till Backhaus (SPD) sei laut Dunkelmann gar nicht zum Gespräch bereit – und auch Briefe an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die ihren Wahlkreis seit Jahrzehnten in MV hat, werden zwar freundlich beantwortet, doch der Wunsch nach einem Gespräch wird mit Hinweis auf die Terminnot der Regierungschefin abgelehnt.

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