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Neuer Rekord

Rund 300 Robben vor der deutschen Ostseeküste gesichtet

Stralsund / Lesedauer: 3 min

Im Greifswalder Bodden und an der Greifswalder Oie wurden etwa 300 Kegelrobben gezählt. Wegen der steigenden Tierbestände fordern Forscher und Umweltverbände einen Robbenmanagement-Plan.
Veröffentlicht:23.04.2018, 09:57
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Vor der deutschen Ostseeküste sind im Frühjahr so viele Kegelrobben gesichtet worden wie seit mehr als 100 Jahren nicht. Bei Zählungen im Greifswalder Bodden und an der Greifswalder Oie seien in den vergangenen Tagen knapp 300 Tiere entdeckt worden. Bei einer Ausfahrt zum Großen Stubber – einer Untiefe im Greifswalder Bodden – wurde eine große Gruppe von rund 200 Robben gesichtet, sagte der Kurator des Deutschen Meeresmuseums, Michael Dähne. Auf der Insel Greifswalder Oie wurden nach Angaben der Wildtierstiftung WWF  rund 90 Tiere entdeckt. Forscher und Umweltverbände werten dies als Indiz für weiter wachsende Robbenbestände an der südlichen Ostseeküste und fordern einen Robbenmanagementplan.

Die saisonale Zunahme der Robben sei ein weiteres wichtiges Signal, dass ein Robbenmanagementplan für die deutsche Ostseeküste dringend notwendig sei, sagte Florian Hoffmann vom WWF-Ostseebüro in Stralsund. "Mit der Rückkehr der Robben gehen Konflikte einher, die gemeinsam mit Fischerei und Naturschutz gelöst werden müssen." Unterstützung kam vom Landesverband der Kutter- und Küstenfischer. "Wir brauchen schnelle Lösungen. Aber das Land lehnt sich zurück", sagte Vize-Verbandschef Michael Schütt. Die Robben sind Fischjäger. Fischer beklagen zunehmend zerrissene Netze und angefressene Heringe.

Das Schweriner Umweltministerium begrüßte die steigenden Robbenzahlen, sieht aber keinen akuten Bedarf für einen Managementplan. Eine Ministeriumssprecherin sagte, dass man zunächst die dreijährigen Untersuchungen des Rostocker Instituts für Fisch und Umwelt zu den Auswirkungen der Robben auf die Fischerei abwarten wolle. Erst auf dieser Grundlage könnten fundierte Aussagen zur Schadenshöhe getroffen und gegebenenfalls über Kompensationsmaßnahmen entschieden werden.

2018 wurden erstmals Robbenbabys an der Küste entdeckt

Die Zahl der Kegelrobben an der deutschen Ostseeküste schwankt jahreszeitlich sehr stark. Spitzenwerte werden immer im März und April während der Heringslaichzeit gezählt. "Wir gehen davon aus, dass die sehr guten Nahrungsbedingungen auch skandinavische Tiere in die deutsche Ostseegewässer gelockt haben", sagte Dähne.

Im vergangenen Jahr wurden im Frühjahr nach Angaben Dähnes 150 Tiere im Greifswalder Bodden gezählt, im Jahresmittel allerdings nur sechs Tiere. Ab Mai sinkt die Zahl der Meeressäuger an der deutschen Küste wieder drastisch. Die Forscher nehmen an, dass die Robben sich dann in ruhigere skandinavische Küstengebiete zurückziehen. In diesem Jahr hatte die ruhige Witterungslage für gute Bedingungen zum Zählen der Meeressäuger gesorgt.

Die bis zu zweieinhalb Meter großen Säuger gelten seit etwa 100 Jahren an der Südküste der Ostsee als ausgerottet. Vor allem Abschussprämien hatten dafür gesorgt, dass der Tierbestand zwischen 1880 und 1920 vollständig verschwand. Durch bessere Umweltbedingungen und den Schutz der Tiere stieg die Zahl der Kegelrobben in der gesamten Ostsee inzwischen wieder auf etwa rund 30 000 Tiere, davon leben rund 90 Prozent in der nördlichen Ostsee. Seit etwa 15 Jahren kehren die Kegelrobben langsam an die deutsche Küste zurück. In diesem Jahr wurden dort erstmals Robbenbabys entdeckt.

Das Meeresmuseum beklagt, dass die Initiative des WWF für einen Robbenmanagementplan derzeit nicht durch das Land Mecklenburg-Vorpommern unterstützt wird. Fischerei, Naturschutz und Wissenschaft seien sich einig, dass umgehend ein natur- und fischereiverträglicher Umgang mit den Tieren begangen werden müsse. Dies beinhalte auch die Frage einer möglichen Entschädigung für Fischer bei nachgewiesenen Schäden an Fang und Gerät durch Kegelrobben, sagte Dähne.