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Gut versorgt

So funktioniert das System von SPD und Awo

Schwerin / Lesedauer: 4 min

2016 flog sie aus dem Landtag, doch Dagmar Kaselitz wurde von ihrer SPD und der Awo gut versorgt. Jetzt kehrt sie in den Landtag zurück –ein dunkler Fleck aber wirft Schatten auf ihre Karriere.
Veröffentlicht:04.12.2019, 06:00

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Eigentlich ist alles ganz einfach im Politik-Betrieb in Schwerin: Irgendwann verstand sich Finanzminister Mathias Brodkorb nicht mehr mit seiner Chefin, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. Egal, ob Brodkorb zurücktreten musste oder aus eigenen Stücken zurücktrat, irgendwann war seine Zeit im Kabinett abgelaufen. Brodkorb wechselte mit seinem bei der Wahl 2016 erworbenen Landtagsmandat auf die Hinterbänke der sozialdemokratischen Fraktionsriege. Doch getreu dem Motto „Einmal Sozi, immer Sozi“ wurde Brodkorb wenige Wochen später mit einem finanziell lukrativen Posten abgefunden. Der Ex-Finanzminister versucht jetzt als Chef des Aufsichtsrates der Uniklinik Rostock das dortige Millionen-Loch zu stopfen.

Und auch die SPD stopfte vor wenigen Tagen das Brodkorb-Loch in der Fraktion – mit einer altbekannten Sozialdemokratin: Dagmar Kaselitz aus dem kleinen Penzlin im großen Landkreis Mecklenburgische Seenplatte. Bis zum Herbst 2016 hatte Kaselitz bereits für die SPD im Landtag gesessen, hatte ihr Mandat bei der Landtagswahl aber verloren. Doch der damalige Ministerpräsident Erwin Sellering vergaß auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise seine Parteifreundin Kaselitz nicht – schaffte für die Penzlinerin einen neuen Job. Das Land brauchte laut Landesvater Erwin Sellering einen Integrationsbeauftragten – und da Kaselitz in Penzlin erfolgreich bei der Integration von Flüchtlingen mitgeholfen und sich den Namen „Mama Afrika“ erworben hatte, startete sie eine neue Karriere als erste Integrationsbeauftragte in MV. Angesiedelt – und das wird noch wichtig in der Personalie Kaselitz – war der neue Posten im Sozialministerium.

Erwin Sellering machte Awo-Heim zur Chefsache

Doch Kaselitz musste als SPD-Parteisoldatin nicht nur bei der Integration an führender Stelle mitwirken, sondern wurde parteiintern auch mehr oder weniger sanft dazu gedrängt, die in eine schwere Krise gestürzte Awo Müritz als Vorsitzende zu übernehmen. Tenor: Eine Hand wäscht die andere. Und so rückte Kaselitz im November 2016 an die Spitze der wegen Untreuevorwürfe in ihrer Existenz bedrohten Awo Müritz. Natürlich versprach Kaselitz in ihrer ersten Rede als Awo-Chefin Aufklärung und Transparenz – die üblichen Politik-Sprechblasen halt.

Doch der Awo-Sumpf erwies sich als undurchsichtig – inklusive unberechenbarer und überraschender Untiefen. Dazu gehörte beispielsweise das Awo-Pflegeheim in Penzlin – eine sichtbar in die Jahre gekommene Einrichtung ausgerechnet in Kaselitz‘ Heimatstädtchen. Im Awo-Pflegeheim, einstmals mit Steuergeldern gefördert und gebaut, kassierte die Awo Müritz von den Bewohnern eine satte monatliche Investitionspauschale in Höhe von 400 Euro. Das Pikante: Öffentlich beschwerten sich Bewohner, dass dieses Geld aber gar nicht in das marode Altersheim investiert werde. Bei einer Bürgerfragestunde wurde auch Ministerpräsident Sellering mit dieser dubiosen Investitionspauschale und dem Ärger der Bewohner konfrontiert. Der Kümmerer Sellering nahm die Sorgen der älteren Menschen ernst – aus einem dem Nordkurier vorliegenden Schriftverkehr zwischen Staatskanzlei, Sozialministerium und Awo geht hervor, dass die Proteste beim „MP (der Ministerpräsident, d. Red.) hoch angesetzt sind“.

Und da es im SPD-geführten Sozialministerium durchaus unterschiedliche Meinungen zur Rechtskräftigkeit der Investitionspauschale gab, schickte ein (über)eifriger Mitarbeiter des Sozialministeriums die Staatsanwaltschaft Schwerin zur Prüfung in die Spur. Mit anderen Worten: Der Arbeitgeber der Integrationsbeauftragten Dagmar Kaselitz, das Sozialministerium, ließ von der Staatsanwaltschaft sondieren, ob das von der Awo Müritz – mit der Vorsitzenden Dagmar Kaselitz – betriebene Altenheim zu Recht so viel Geld von den Bewohnern kassieren durfte.

„Interessenkollision“ als Rücktrittsgrund

Binnen kurzer Zeit hatte sich die ursprünglich als Awo-Hoffnungsträgerin gestartete Kaselitz im Dickicht zwischen SPD- und Awo-Interessen verheddert. Die Penzlinerin sah die Aussichtslosigkeit und trat im Sommer 2017 wegen „Interessenkollision“ (so ihre offizielle Begründung) als Awo-Chefin zurück. Als SPD-Integrationsbeauftragte aber blieb sie bis zum November 2019 im Amt. Jetzt war Schluss mit dem Regierungsposten, Dagmar Kaselitz rückte für Mathias Brodkorb in die SPD-Fraktion im Landtag nach – der Kreis schloss sich. Dass Kaselitz von ihrer Fraktion gleich in den Sozialausschuss entsandt wurde, versteht sich von selbst. Schließlich geht es im Sozialausschuss auch ganz viel um Awo, Wohlfahrt und Co.

Übrigens: Die Staatsanwaltschaft Schwerin sah kurze Zeit nach Kaselitz‘ Rücktritt als Awo-Chefin bei der Erhebung der Investitionspauschale keine strafrechtlichen Handlungen.