StartseiteRegionalMecklenburg-VorpommernStaatsanwaltschaft ermittelt gegen Ex-Awo-Landeschef

Awo-Affäre

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Ex-Awo-Landeschef

Schwerin / Lesedauer: 4 min

Die Awo in MV versinkt immer mehr im Strudel staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen. Jetzt drohen auch Ex-Awo-Landeschef Ulf Skodda strafrechtliche Konsequenzen.
Veröffentlicht:29.02.2020, 07:56

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Erst Peter Olijnyk und Götz-Peter Lohmann, dann Jörg Fischer, jetzt Ulf Skodda: Hochrangige ehemalige Awo-Manager stehen in Mecklenburg-Vorpommern im Visier von Staatsanwaltschaften. Während gegen Olijnyk, Ex-Geschäftsführer der Awo Müritz, bereits Anklage der Staatsanwaltschaft Schwerin wegen des Vorwurfs der schweren Untreue erhoben worden ist und sich Ex-Awo-Müritz-Kreischef Lohmann wegen Beihilfe zur Untreue vor dem Landgericht Schwerin verantworten muss, wird gegen Jörg Fischer, Ex-Geschäftsführer der Awo Neubrandenburg, wegen des Verdachts der Untreue ermittelt. Neu in dieser prominenten Reihe von langjährigen Top-Funktionären der Arbeiterwohlfahrt ist jetzt Ulf Skodda, von 2008 bis 2012 Landeschef der Awo in Mecklenburg-Vorpommern.

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Skodda von ehemaligen Awo-Managern belastet

Oberstaatsanwältin Claudia Lange, Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Schwerin, bestätigte dem Nordkurier, dass gegen Skodda Ermittlungen wegen des Verdachts der Falschaussage vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zur Aufklärung der Awo-Affäre aufgenommen worden seien.

Dort hatte Skodda am 30. September vergangenen Jahres einen skurrilen Auftritt absolviert. Der ehemalige Awo-Landeschef hatte sich in seiner 90-minütigen Vernehmung als unwissender und gleichzeitig auch uninteressierter Zeuge präsentiert – und es dabei offenbar mit der Wahrheit nicht so genau genommen. Konkret: Auf die Frage des AfD-Abgeordneten Thomas de Jesus Fernandes, ob Skodda in irgendeiner Form in die Gestaltung der Verträge Lohmann, Olijnyk bei der Awo Müritz involviert gewesen sei, hatte Skodda mit Nein geantwortet. Eine Aussage, die bereits unmittelbar nach der Vernehmung bei früheren hochrangigen Mitgliedern der Awo-Geschäftsstelle Müritz in Waren für Verwunderung gesorgt hatte. „Der leidet wohl unter Gedächtnisschwund. Skodda war über Jahre quasi als Hausanwalt für die Awo Müritz tätig“, ließ sich eine Ex-Mitarbeiterin zitieren.

Doch nicht nur die Aussagen von unmittelbar Beteiligten lassen darauf schließen, dass Skodda vor dem PUA offenbar geflunkert hat, auch aus Akten, die dem PUA und dem Nordkurier vorliegen, ist ersichtlich, dass Skodda in enger Verbindung zur damaligen Awo-Spitze stand. Und auch der ehemalige Awo-Geschäftsführer in Waren, Peter Olijnyk, hatte sowohl während seiner zivilrechtlichen Auseinandersetzung vor dem Oberlandesgericht Rostock mit seinem ehemaligen Arbeitgeber als auch vor dem PUA im Januar 2020 betont, dass Skodda bei den Verträgen involviert gewesen sei.

Lukrative Verträge zugeschanzt

Unterstützung erhielt Olijnyk in dieser Angelegenheit auch von seiner zwischenzeitlichen Nachfolgerin auf dem Awo-Chefposten an der Müritz, Simone Ehlert. Sie sagte in dieser Woche vor dem PUA ebenfalls aus, dass Skodda von der Vertragsgestaltung gewusst habe.

Hintergrund: Ex-Awo-Kreis Geschäftsführer Peter Olijnyk und Ex-Awo-Kreisvorsitzender Götz-Peter Lohmann hatten sich zwischen 2005 und 2015 gegenseitig lukrative Verträge zugeschanzt – offenbar ohne jede Kontrolle des Kreisvorstandes und des Awo-Landesverbandes.

Und noch eine vermeintliche Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuss könnte Ulf Skodda jetzt auf die Füße fallen. Der in Wismar tätige Anwalt hatte ausgesagt, dass er nach seinem Ausscheiden aus dem Amt keinerlei weitere Beziehung zur Awo gehabt habe.

Bei Falschaussage droht Haftstrafe bis fünf Jahre

Laut Protokoll der PUA-Sitzung, das dem Nordkurier vorliegt, hatte Skodda wörtlich gesagt: „Also nach dem 02.10.2012 habe ich keine Funktion mehr bei der Arbeiterwohlfahrt ausgeübt, bin sozusagen mit keinem Team überhaupt je wieder konfrontiert worden, habe keine Verbindung mehr zur Arbeiterwohlfahrt, Gremien oder Arbeit, sonst was.“ Der Nordkurier aber ist im Besitz von Dokumenten, aus denen hervorgeht, dass Skodda im Jahr 2015 sehr wohl als Anwalt für die Awo Müritz tätig gewesen war.

Falschaussagen vor dem Untersuchungsausschuss werden empfindlich bestraft. „Nach Paragraph 153 Strafgesetzbuch können uneidliche Falschaussagen mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft werden“, teilte die Landtagsverwaltung auf Nordkurier-Anfrage mit.

In dem Zusammenhang wies Claudia Lange als Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft ausdrücklich darauf hin, dass es sich bisher lediglich um einen Anfangsverdacht gegen Skodda handele. Es gelte nach wie vor die Unschuldsvermutung.

Skodda begrüßt Ermittlungen

Und Skodda selbst? Er hatte die Vorwürfe der Falschaussage bereits wenige Tage nach seiner Vernehmung dementiert. „Ich habe vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages ausgesagt, seinerzeit vom Inhalt des Vertrages der Geschäftsführung des Awo-Kreisverbandes Müritz beziehungsweise der Awo Müritz gGmbH keine Kenntnis gehabt zu haben. Diese Aussage ist wahr“, sagte der Anwalt. Vermutungen, er hätte diesbezüglich die Unwahrheit gesagt, seien somit unzutreffend.

Skodda begrüßte die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Dadurch könne der unrichtige Vorwurf der Falschaussage in einem justizförmigen Verfahren aufgeklärt werden. Vor dem Hintergrund der Ermittlungen gegen Skodda dürfte die Vernehmung von Götz-Peter Lohmann am Montag vor dem PUA zusätzliche Brisanz erhalten. Um 11 Uhr nimmt Lohmann im Schweriner Schloss im Zeugenstand Platz.