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Gewerkschaftsbund mahnt

Tarifflucht im Osten setzt auch Westen unter Druck

Schwerin / Lesedauer: 2 min

Viele Unternehmen denken nicht volkswirtschaftlich genug, sagt der DGB-Bundesvorsitzende Reiner Hoffmann. Gute Bezahlung sorge für Stabilität der Wirtschaft.
Veröffentlicht:24.08.2019, 08:26
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Der DGB-Bundesvorsitzende Reiner Hoffmann hat die Erosion der Tarifverträge in Deutschland beklagt. Bis Anfang der 1990er Jahre seien in der alten Bundesrepublik gut drei Viertel aller Beschäftigten von Tarifverträgen erfasst gewesen, sagte Hoffmann der Deutschen Presse-Agentur in Schwerin. „Heute sind es nur noch 57 Prozent.” In den neuen Ländern betrage die Tarifbindung sogar nur 44 Prozent.

Tarifverträge sicherten den Beschäftigten deutlich bessere Konditionen, sagte Hoffmann. „Tariflöhne sind nicht nur 900 bis 1200 Euro im Monat höher, auch der Urlaub ist länger, die Arbeitszeiten sind kürzer, die Arbeitsbedingungen besser.” Sie seien auch für Unternehmen sinnvoll und schafften gleiche Wettbewerbsbedingungen. Zugleich werde der soziale Zusammenhalt gestärkt.

Ein Grund für das Absacken der Tarifbindung in Deutschland sei, dass westdeutsche Unternehmen nach der Wende im Osten unter der Maßgabe investiert hätten, dass ihre Tochterfirmen nicht dem Arbeitgeberverband beitreten. Damit waren sie nicht an Tarifverträge gebunden. „Dies war damit begründet worden, dass die Produktivität noch nicht hoch genug sei”, sagte Hoffmann. Doch Produktivität könne sich nicht entwickeln, wenn nicht auch entsprechende Löhne gezahlt werden. Im Nachgang sei die Tariflandschaft auch im Westen unter Druck geraten.

Löhne nicht nur Kostenfaktor

Hoffmann warf den Arbeitgebern vor, oft nur kurzfristig betriebswirtschaftlich statt auch volkswirtschaftlich zu denken. Löhne seien nicht nur ein Kostenfaktor, sagte er. „Dass wir eine relativ stabile Binnenkonjunktur haben, ist auch darauf zurückzuführen, dass es den Gewerkschaften in den letzten Jahren gelungen ist, gute Tariferhöhungen abzuschließen. Vieles davon geht in den direkten Konsum.” Damit könnten sich abzeichnende und auch schon eintretende Rückgänge im Export ausgeglichen werden.

Mit Blick auf die Unzufriedenheit von Teilen der ostdeutschen Bevölkerung verwies er auf Regionen mit positiver Entwicklung, wie Jena, Leipzig oder auch Schwerin. „Die Lebensverhältnisse haben sich in den letzten 30 Jahren erheblich angeglichen, wenn es auch noch Unterschiede gibt.” So habe die Arbeitslosigkeit im Jahr 2000 im Osten rund zehn Prozentpunkte über der im Westen gelegen. Heute seien es noch zwei Punkte. „Das ist eine Erfolgsgeschichte.” Hoffmann begrüßte das Konzept von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für eine Grundrente. Davon könnten gerade Frauen im Osten profitieren, sagte er.