„Der große Knackpunkt sind die Preise“, stellt Karsten Heinsohn unmissverständlich fest. Der Experte der auf Tourismus-Beratung spezialisierten Firma dwif-Consulting hält der Branche, die Menschen schöne Tage ermöglichen soll, den Spiegel vor. Das ist auch seine Aufgabe als „Ableser“ des Tourismusbarometers des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV). Alljährlich werden in dieser Erhebung die Entwicklungen in Hotels und Gaststätten bewertet.
Dazu gehören unter anderem die Preise: Im Vergleich zum Juli des vergangenen Jahres sind die Bettenpreise im deutschen Tourismusland Nummer 1 im Juli 2021 im Durchschnitt um sechs Prozent und der Erlös pro Zimmer um 12 Prozent gewachsen. Nordkurier-Leser können dazu eigene Erfahrungen beisteuern: Von einem Drittel mehr bis zur Verdoppelung der Zimmerraten ist die Rede. Laut dem Analyseunternehmen STR hat Mecklenburg-Vorpommern mit einem durchschnittlichen Übernachtungspreis von 178 Euro pro Nacht in Vier- und Fünf-Sterne-Häusern im Juli ein Allzeithoch erreicht.
Mehr lesen: Gästezufriedenheit sinkt besonders auf den Ostseeinseln
Wie lange geht das gut? „Wir haben in diesem Jahr noch keine normale Marktlage“, schätzt Heinsohn ein. Angesichts vieler Reisebeschränkungen und -erschwernisse gebe es derzeit eine „Übernachfrage“, die sich in den nächsten Jahren normalisieren werde. „Qualität und Preise müssen auf jeden Fall passen“, mahnt er.
Doch dieses Gleichgewicht gerät beim Tourismus-Marktführer offenbar aus den Fugen: Die Zufriedenheit der Gäste, die den Nordosten besuchen, sinkt stärker als im Bundesdurchschnitt. Während deutschlandweit der Zufriedenheitswert in diesem Jahr bisher um 0,6 auf 85,8 Prozent gefallen ist, kommt Mecklenburg-Vorpommern insgesamt nur auf 84 Prozent – bei einem Minus von 1,5 Prozentpunkten. Basis dafür ist der sogenannte Trust Score, der Gästebewertungen auf rund 250 Onlineplattformen für Unterkunftsbetriebe zusammenfasst. Maximal sind 100 Prozent möglich.
Mehr zum Thema: 30 Prozent des MV-Tourismus in Existenznot
In Vorpommern besonders starke Rückgänge
Besonders hart erwischt hat es Vorpommern, wo die Zufriedenheit der Gäste mit der Qualität ihrer Urlaubsquartiere stärker zurückgegangen ist. Für Rügen/Hiddensee liegt bei den Gästebewertungen das Minus bei 1,7 Punkten, für Usedom samt Hinterland bei 1,6 Punkten. Die Mecklenburgische Seenplatte kommt mit einem Verlust von 1,2 Punkten mit einem blauen Auge davon.
Tourismusexperte Karsten Heinsohn nennt die Gründe für den Ansehensverlust. Vor allem das Preis-Leistung-Verhältnis stehe ganz oben auf der Mängelliste. „Aber auch fehlende WLAN-Angebote und schwache Internetverbindungen schlagen in den Bewertungen durch.“ Dazu kämen Schwachstellen im Service. „Damit ist alles Zwischenmenschliche gemeint“, erläutert er. Zweifellos seien die Ansprüche der Gäste in den vergangenen Monaten gewachsen, räumt Heinsohn ein. Besonders auf flexible und kurzfristige Buchungsmöglichkeiten werde Wert gelegt, begleitet von Kulanz bei den Stornobedingungen.
Mehr lesen: Nationalpark-Ranger führt Urlauber durch den Wald zum Müllsammeln
Viele Modernisierungen während Corona-Pause
„Die Preise sind ein sensibles Thema“, gibt Lars Schwarz, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in MV zu. Würden die Anbieter keine „vernünftigen“ Preise nehmen, könnten sie sich notwendige Investitionen nicht leisten.
„Viele Häuser haben die Zeit der Schließungen aber für Modernisierungen genutzt“, betont Schwarz, der selbst ein Hotel betreibt. Gerade im Binnenland müssten die Unternehmen bei den Preisen selbstbewusster werden, findet er. Schwarz bestätigt, dass die Gästeerwartungen höher geworden sind. „Wenn dazu bei der Anreise ein paar Stunden im Stau, schlechter Internetempfang unterwegs und fehlende Testmöglichkeiten kommen, schlägt sich das auch in Bewertungen nieder.“