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Greenpeace-Schiff

Umweltschützer unterwegs an der Ostseeküste

Greifswald / Lesedauer: 6 min

Greenpeace startet mit dem Forschungsschiff Beluga II eine zweimonatige Tour entlang der Ostseeküste – es geht um die Wasserqualität nahe der Küste. Auch der Greifswalder Bodden war ein Ziel.
Veröffentlicht:30.09.2018, 19:14

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Die Lage der Ostsee ist prekär, warnen Meeresforscher in aktuellen Studien. So veröffentlicht etwa das Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde jedes Jahr einen neuen Bericht über die sogenannten Todeszonen, Gebiete weit jenseits der Küste, in denen der Sauerstoffgehalt zu niedrig für die meisten Lebensarten ist.

Über die Küstengebiete ist unter diesem Aspekt nicht viel bekannt, findet die Umweltschutz-Organisation Greenpeace und hat deswegen eine Tour entlang der Ostseeküste begonnen, um Wasserproben an Flussmündungen und in Förden zu sammeln.

Zu viele Nährstoffe im Wasser – die so genannte Überdüngung – fördern das Algenwachstum, was wiederum den Sauerstoffmangel und damit die Bildung von Toten Zonen am Meeresgrund begünstigt. Greenpeace will in den Küstengewässern nun jene Stellen finden, wo diese Überdüngung besonders hoch ist. Unterwegs ist die Crew mit der Beluga II, einem Segelschiff, das extra für die Organisation erbaut wurde.

Dieses Wochenende war das Schiff im Greifswalder Bodden

Start der Tour war im dänischen Aarhus. Von dort nahm die Beluga II Kurs Richtung Lübeck, derzeit ist sie die Küste entlang auf dem Weg nach Danzig in Polen. Am Wochenende machte das Schiff Station auf dem Greifswalder Bodden.

Später geht es auf direktem Weg zurück zum Ausgangspunkt der Fahrt nach Dänemark zurück, um dann noch einmal erneut zu starten. Denn die Route wird zwei Mal gefahren. Für jede Fahrt wird ungefähr ein Monat eingeplant. Auf der ersten Fahrt will die Mannschaft sich ein erstes Bild machen, wie es im Sommer um die Küste steht. Die zweite Fahrt fällt in den Zeitraum von Herbststürme erwartet werden.

Wie wirken sich Herbststürme auf die Wasserqualität aus?

Der Gedanke hinter diesem Ablauf: Die Forscher wollen feststellen, wie sich die Stürme auf die Lage in der Ostsee auswirken. Das berichtet Manfred Santen, Chemieexperte bei Greenpeace. Durch den Herbstregen werden mehr Nährstoffe aus den Äckern in die umliegenden Gewässer gespült, die wiederum auch in die Ostsee fließen. Vor allem auf Gewässer, die schon bei der ersten Fahrt als bedenklich eingestuft wurden, soll bei der zweiten Fahrt der Fokus gelegt werden.

Von außen ist die Beluga II ein stolzer Segler. Eine Besonderheit an Bord ist das Dach über dem Schiffsbauch. Es lässt sich öffnen und macht das Innere der Beluga II vielseitig einsetzbar. So wurde auch das mobile Labor das neue Herz des Schiffes. Greenpeace baute einen Container um und ließ ihn durch das geöffnete Dach hinab. Nun laufen hier alle Daten und Proben zusammen, die die Besatzung und ihre Helfer zusammentragen.

Messung per Sonde aus dem Bauch des Schiffes

Stolz präsentiert die Crew auch ihren größten Schatz an Bord: eine CTD-Sonde. Diese wird an einem Kabel befestigt ins Wasser gelassen und misst in kürzester Zeit sowohl Tiefe, als auch diverse Werte wie Salzgehalt und Sauerstoff. So entsteht auf dem Monitor im mobilen Labor ein genaues Diagramm mit dem Stand am der Messstelle. Zuletzt wurden pro Tag an fünf Standorten mehrere Messungen durchgeführt. „Allerdings war die Wetterlage auch problematisch. Eigentlich können wir mehr machen”, sagt Dirk Zimmermann, Biolologe an Bord.

Mit diesen Daten soll ein Bild aufgezeigt werden, wie der momentane Stand bei dem Problem der Überdüngung und damit verbunden der der toten Zonen in den Küstengebieten der Ostsee ist. Unterstützt werden die Messungen der Sonde durch Analysen von Proben, die auch von einem gesonderten Team per Schlauchboot entnommen werden.

Neue Todeszone in der Flensburger Förde?

So ist es auch möglich, seichte Küstenzonen, Flüsse und Gewässer mit Verbindung zur Ostsee zu untersuchen, wo die Beluga II auch aufgrund der geringen Tiefe nicht hinkommen würde. Für eine Einschätzung der Küsten anhand der Ergebnisse der Tour ist es noch zu früh. Aber erste Todeszonen hat das Team bereits entdeckt, wie in der Flensburger Förde. Bilder von Tauchern zeigen deutlich eine Unterwasserlandschaft, in der nichts mehr lebt.

Auf der Fahrt von Greifswald Richtung Rügen waren die zwei Tests, bei denen der Nordkurier anwesend war, allerdings unbedenklich. Doch weist Dirk Zimmermann darauf hin, dass durch den extremen Sommer dieses Jahr und den Mangel an Regen noch wenig Nährstoffe in die Flüsse und damit in die Ostsee gespült wurden. Daher sei man auch auf die zweite Tour gespannt.

An Bord gibt es viel Technik – und eine Gitarre

Zudem verspricht die polnische Küste interessant zu werden, da hier viele große Flüsse ins Meer münden. Auf der Tour arbeitet, schläft und isst die Mannschaft gemeinsam auf der Beluga II. Man hat es sich hier so heimelig wie möglich gemacht, sogar eine Gitarre ziert eine der Kajüten. Manchmal ist es trotzdem nicht so leicht. Heftiger Seegang hat schon dem ein oder anderen den Schlaf erschwert.

Und auch die Arbeit im Labor kann zu einer Herausforderung für das Gleichgewicht werden. „Da ist im Labor alles starr, aber der Gleichgewichtssinn sagt einem etwas anderes. Sensual Missmatch nennt man das. Das ist dann schon anstrengend”, sagt Dirk Zimmermann. Die Bootsfahrer dagegen übernachten an Land. So viele Betten gibt es dann doch nicht an Bord.

Im Greifswalder Hafen auch über Nutztierhaltung diskutiert

Der geplante Aktionstag des offenen Bootes, oder Open-Boat-Day, in Danzig fiel leider aus organisatorischen Gründen ins Wasser, dafür lädt die Mannschaft aber in Deutschland vier Mal Interessierte ein, das Schiff zu besichtigen. Neben einer Besichtigung des Schiffes können Besucher zum Open-Boat-Day auch selbst Wasserproben mitbringen, die dann vor Ort getestet werden. Die Bedingung dabei: Proben sollten aus Gewässern stammen, die eine Verbindung zur Ostsee haben.

Die Ergebnisse des photometrischen Schnelltests zeigen nicht nur den Anwohnern ein genaueres Bild über den Zustand des Wassers, sondern fließen auch in die Daten von Greenpeace ein. Bei einem bedenklichen Testbefund wird die Probe in ein Labor in Hamburg geschickt, wo sie genauer analysiert wird, unter anderem auch auf multiresistente Keime.

Wasserprobe aus Tollensesee: Unbedenklich!

Neben Informationsaustausch über die Aktion fand in Greifswald auch das ein oder andere Streitgespräch über die Haltung von Nutztieren statt. Bewohner Neubrandenburgs können sich übrigens freuen: Eine mitgebrachte Wasserprobe des Tollensesees wies nur einen minimalen Nitratwert auf.

Manfred Santen kann sich gut vorstellen, dass die Aktion nächstes Jahr wiederholt wird. Interessant wären dabei andere Jahreszeiten, in denen Wetterlage und Düngeverhalten unterschiedlich sind. Das wird im Nachhinein noch besprochen werden, auch abhängig davon, wie Wissenschaftler die Aktion bewerten werden. Doch erst muss die jetzige Tour zu einem Ende kommen.

In den kommenden Tagen steuert die Beluga II polnische Gewässer an, dann beginnt alles von vorn. Vorher ist auch noch eine Fahrt mit dem Schlauchboot die Peene hinunter geplant. Ungefähr in einem Monat ist das Schiff wieder in deutschen Gewässern unterwegs, vielleicht bereits mit neuen Erkenntnissen über den Zustand der Ostseeküste.