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Gymnasien und Regionale Schulen

Unendliche Suche nach dem richtigen Weg zum Abitur

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Erreichen Schüler ein besseres Abitur, wenn sie zusammen lernen oder in Grund- und Leistungskursen getrennt werden? MV wagt mal wieder eine Bildungs-Reform, Experten sehen das kritisch.
Veröffentlicht:23.11.2017, 07:18

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Der Unterricht an den Gymnasien des Landes soll sich grundlegend verändern. Das Bildungsministerium hatte zu Wochenbeginn die Einführung des sogenannten Leistungsfachmodells angekündigt. Schüler, die in Kernfächern wie Mathematik und Deutsch, eine Abitur-Prüfung mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad ablegen wollen, sollen demnach künftig getrennt unterrichtet werden.

Noch werden alle Schüler in den Kernfächern gemeinsam unterrichtet, was aus Sicht des Landes-Philologenverbandes für bestimmte Schüler erhebliche Probleme mit sich bringt. Verbands-Chef Jörg Seifert verdeutlicht dies mit einem Beispiel aus seinem Physik-Unterricht: Schüler, die nicht auf erhöhtem Niveau oder gar keine Prüfung in Physik ablegen möchten, fühlten sich „vielfach überfordert” und würden deshalb „den Anschluss verpassen”.

Ein Abitur-Experiment, das offenbar fehlschlug

So richtig neu wirken die jetzt vorgestellten Pläne nicht. Nach Angaben des Bildungsministeriums „bestand für die Abiturprüfungen ab dem Schuljahr 1992/93 erstmals ein auf Kursen basierendes Modell und damit die Wahlmöglichkeit zwischen Grund- und Leistungskursen.” Ab 2008 war es mit dieser Wahlmöglichkeit wieder vorbei. Unabhängig von den Prüfungsanforderungen wurden die Schüler fortan gemeinsam unterrichtet. Ein Experiment, das offenbar fehlgeschlagen ist.

Der gemeinsame Unterricht hat laut Seifert „nicht den gewünschten Erfolg gebracht.” Gewünscht war, dass alle Abiturienten in dem Unterricht der Kernfächer optimal auf ein Studium vorbereitet werden, „um die Studierfähigkeit sicherzustellen”, wie es Olaf Köller, Direktor des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel formuliert. Empirische Studien hätten gezeigt, dass diese Studierfähigkeit mit getrenntem Unterricht insbesondere in Mathematik-Grundkursen nicht erreicht werden konnte, so Köller.

Gemeinsames Lernen brachte auch keine Verbesserungen

Hat Bildungsministerin Birgit Hesse (SPD) also einen Fehler ihrer Vorgänger ausgebügelt, eine Kurskorrektur vorgenommen, wie es oft im politischen Sprachgebrauch heißt, mit der es allen Beteiligten künftig besser ergehen wird?

Wohl kaum. Dort, wo das getrennte Lernen bereits abgeschafft wurde, sind keine nennenswerten Verbesserungen in Bezug auf die Studierfähigkeit der Schüler eingetreten, gibt Bildungsexperte Köller zu bedenken. „Grundkurse scheinen nicht wirklich zu vertiefter Allgemeinbildung beizutragen”, meint er.

Ein Blick auf die Schulstatistiken des Landes lässt Spekulationen über andere Gründe für das Abrücken von der getrennten Prüfungsvorbereitung im Jahr 2008 zu. Demzufolge sind seit dem Jahr 2002 von der Gesamtzahl aller Schüler an allgemeinbildenden Schulen des Landes 10 bis 12 Prozent an einer regionalen Schule unterrichtet worden, an Gymnasien dagegen etwa 30 Prozent.

Auslastung der regionalen Schulen im Fokus

Diese Verteilung änderte sich deutlich mit der Aufgabe des Kurssystems: Im Jahr 2010 gingen nur noch rund 20 Prozent der Schüler an ein Gymnasium, an regionalen Schulen wurden zum gleichen Zeitpunkt fast 30 Prozent unterrichtet. Hinter vorgehaltener Hand sagen manche Pädagogen, dass durch diesen Kniff, der mit der Parole „längeres gemeinsames Lernen” angepriesen wurde, das Ausbluten der regionalen Schulen verhindert werden sollte.

Sowohl die empirischen Erkenntnisse von Bildungsexperte Köller als auch die Statistik-Spekulationen geben wenig Grund zur Annahme, dass die jetzt angekündigte Reform endgültig sein wird. Beim getrennten Lernen werden die Schüler aus Grundkursen nicht ausreichend auf ein Studium vorbereitet. Wenn ab 2008 tatsächlich ein Ausbluten der regionalen Schulen verhindert werden sollte, würden die angekündigten Veränderungen diesem Effekt wieder Tür und Tor öffnen.

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