StartseiteRegionalMecklenburg-VorpommernVon einer, die auszog, ein Land zu erobern

Manuela Schwesig kurz vor Amts-Antritt

Von einer, die auszog, ein Land zu erobern

Schwerin / Lesedauer: 7 min

Sie hat es allen Skeptikern gezeigt: Am Dienstag wird Manuela Schwesig (SPD) aller Voraussicht nach als erste Frau überhaupt zur Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Jürgen Mladek traf sie kurz vor der Krönung.
Veröffentlicht:30.06.2017, 18:28
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Ein wenig kann einem Manuela Schwesig (SPD) schon leidtun. So kurz vor der Erfüllung ihres großen Traums kann sie sich noch nicht einmal richtig freuen. Darf sie nicht. Will sie auch nicht. Zwei Dinge hindern sie daran: Einmal ist da die Demokratin in ihr, die auf Zurückhaltung drängt, ehe sie tatsächlich gewählt ist.

Und dann ist da trotz aller Erfahrung im Politikbetrieb auch noch der Mensch Manuela Schwesig. Die Demokratin sagt, dass sie „Respekt und Demut vor der Wahl hat“. Klar, das muss sie sagen, geschenkt. Denn letztlich ist es, wenn der Landtag am Dienstag zusammentritt, um sie zur Ministerpräsidentin zu wählen, nur eine Formalie. Genau wie am Sonntag die Wahl zur SPD-Landesvorsitzenden beim Parteitag.

Der Mensch Schwesig spricht dann weniger formelhaft. Die plötzliche schwere Krebserkrankung von Noch-Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD), der bei der Erklärung seines Rücktritts vom Amt sie als Nachfolgerin empfohlen hatte, habe sie schockiert, sagt Schwesig.

Die Umstände, die sie jetzt ins Amt führen, empfindet sie deshalb auch als „bedrückend“. „Es war zwar immer klar, dass ich zurück will nach Mecklenburg-Vorpommern. Und die Möglichkeit, eines Tages Ministerpräsidentin hier zu werden, stand ja im Raum. Aber dass es jetzt so gekommen ist, da würde sich doch niemand freuen.“ Sie umso weniger, denn Sellering war ja nicht nur ihr politischer Entdecker, der aus einer Finanzbeamtin mit Besoldungsstufe A 12 (3300 Euro/brutto) eine Sozialministerin mit rund vierfachen Bezügen machte. Sellering wurde auch ihr Freund.

Ein Versprechen, auf das viele warten: Der Osten wird nicht abgehängt

Den Druck dürfte das nicht verringern. In seinem Sinne will sie regieren, nahtlos seine Arbeit fortsetzen. Aber sie ist nicht Sellering, sondern Manuela Schwesig. Ein Spagat. Und dazu kommt, dass sie ja ab Dienstag dann auch gleich loslegen will, loslegen muss. „Nichts soll sich verzögern durch die traurigen Umstände, die jetzt zum Wechsel im Amt führen. Das Land kann sich Stillstand nicht erlauben.“

Deshalb will sie schon am Mittwoch in Torgelow gemeinsam mit Staatssekretär Patrick Dahlemann ein Bürgerforum abhalten. Überhaupt, der Osten des Landes. Der liege ihr besonders am Herzen, sagt sie. Es sei fatal, wenn die Menschen dort das Gefühl hätten, dass man sie zurücklasse.

Vielleicht auch deshalb gibt sie als Signal dann doch schon vor der Wahl das Versprechen ab, dass die kleinen Krankenhäuser im Land erhalten bleiben. Und dass die strukturschwachen Gebiete in Vorpommern und im östlichen Mecklenburg besondere Aufmerksamkeit genießen werden. Aber das haben andere auch schon gesagt. Man wird sehen.

Versteht sie, dass die Menschen im Osten des Landes nach Kreisreform, Polizeireform und Gerichtsreform, unter denen die ländlichen Räume besonders gelitten haben, der Schweriner Politik nicht mehr richtig vertrauen? „Die Menschen dort haben schon das Gefühl, dass die Regierungen in Berlin oder Schwerin weit weg sind. Aber für Vorpommern gibt es jetzt zum Beispiel ja einen eigenen Staatssekretär, der sich jeden Tag als Ansprechpartner intensiv um die Region kümmert.“

Gute Löhne weit oben auf der Aufgabenliste

Einen Erfolg bei den Schwerpunkten, die sie in ihrer Regierung setzen will, hat Manuela Schwesig übrigens schon vor ihrem Amtsantritt erzielt. Einen Rückkehrer nach Mecklenburg-Vorpommern, der einen tollen Job bei gutem Gehalt hat, gibt es mit ihr jetzt ja schon. Viele sollen folgen, wenn es nach ihr geht.

„Es macht mich schon stolz, dass so viele Menschen in Deutschland positive Gefühle mit Mecklenburg-Vorpommern verbinden. Jetzt müssen wir es nur noch schaffen, dass sie merken, dass es hier nicht nur für drei Wochen im Urlaub schön ist. Sondern dass man hier auch arbeiten kann.“

In Berlin, an ihrer alten Wirkungsstätte im Familienministerium, könnte sie mit dieser Überzeugungsarbeit gleich anfangen. Wie viele Vertraute sie allerdings nach Schwerin holen möchte, dazu hüllt Schwesig sich in Schweigen.

Lieber spricht sie darüber, was noch nötig ist, um Mecklenburg-Vorpommern nach vorne zu bringen. Gute Löhne müssten her, sagt sie, und dass sie auf vielfältige Weise darauf Einfluss nehmen werde. Auch das haben andere schon gesagt. Die Digitalisierung will sie vorantreiben als unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass Firmen auch auf dem Land expandieren oder sich überhaupt erst ansiedeln können.

Und auch die geplante Verringerung des Elternanteils bei den Kita-Kosten bis zu dessen vollständiger Streichung könne ein Standortvorteil sein. „Das kann bei einer jungen Familie schon den Ausschlag geben“, sagt sie. Und so lange die Löhne noch geringer seien als anderswo im Land, könne man so Familien wirklich wirkungsvoll entlasten.

Ein Problem, das ungeklärt ist: Die Sache mit der Küstenbarbie

Sachte auf die Bremse scheint Schwesig beim weiteren Ausbau der Windkraft treten zu wollen. Mecklenburg-Vorpommern bleibe natürlich Energieland, sagt sie. „Aber der Netzausbau muss ja auch erst mal vorankommen.“ Das klingt nicht nach zügigem weiteren Ausbau der Windkraft.

Abgebaut werden sollen nach ihrem Willen die hohen Strompreise im Nordosten durch die bundesweite Angleichung der Netzentgelte. Dazu sei ja ein erster Schritt schon unternommen worden, sagt sie. Was sie nicht sagt: Es ist ein Minischritt, der bislang nur eine Minimalentlastung von 0,2 Cent pro Kilowattstunde ab 2018 bringt. Schnell schiebt sie deshalb hinterher, gemeinsam mit den anderen Ost-Ministerpräsidenten weiter daran arbeiten zu wollen.

Dass sie sich bei ihren Vorhaben auch auf den kleineren CDU-Koalitionspartner verlassen kann, davon gibt sich Schwesig überzeugt. Zum Fraktionsvorsitzenden Vincent Kokert habe sie ein sehr gutes Verhältnis. Bleibt vielleicht nur noch ein atmosphärisches Problem mit Innenminister Lorenz Caffier, immerhin ihr Stellvertreter als Ministerpräsidentin, mit dem sie vertrauensvoll wird zusammenarbeiten müssen.

Caffier hatte sie einst als „Küstenbarbie“ verhöhnt, die beiden haben sich nie darüber ausgesprochen. Den Namen des alten politischen Haudegens Caffier hat sie bis dahin allerdings nicht ein einziges Mal erwähnt.

Themen, die noch schmerzen werden: Der Awo-Sumpf und die AfD

Genau wie sie im Gespräch von sich aus auch nicht ein einziges Mal ein zweites mögliches Reizthema anspricht, die starke Präsenz der AfD im Landtag. Schon ungewöhnlich für eine Frau, die sich so eindeutig im „Kampf gegen rechts“ positioniert hat, aus ihrem Bundesministerium heraus zahlreiche Initiativen finanziell unterstützte, die sich dieses Thema auf die Fahnen geschrieben haben.

Also auch hier nachgefragt. Ist das für sie überhaupt erträglich mit einem so starken AfD-Einfluss im Land? „Ich unterscheide da zwischen den Wählern und den Parteifunktionären. Die Kritik der Wähler nehme ich ernst. Die Funktionäre aber schüren nur Ängste, ohne Lösungen anzubieten, und das muss man klar aufzeigen.“ Im Detail befasst mit der AfD-Fraktion im Landtag hat sich Schwesig allerdings noch nicht.

Das wird sie aber im neuen Amt noch tun müssen, genau wie sie bei einem anderen Thema, das insbesondere für die SPD schmerzhaft ist, noch genau hinschauen muss. Der Awo-Skandal, in den auch Funktionäre und Mitglieder ihrer Partei verwickelt sind, wird recht schnell auf dem Schreibtisch der künftigen Ministerpräsidentin landen.

Vorerst kommt von Schwesig da aber nur so viel: „Die Finanzierung im sozialen Bereich muss transparenter und sicherer werden.“ Nach „schonungsloser Aufklärung“, die ja in der Vergangenheit auch von ihr schon bei unterschiedlichsten Themen gefordert wurde, klingt das noch nicht.

Und die Frage, warum der Landtags-Untersuchungsausschuss zur Awo nicht in den Besitz aller die Awo betreffenden Akten kommen soll, bleibt wegen fehlender Detailkenntnis unbeantwortet. Vielleicht, weil die AfD diese Akten anforderte. Oder weil der Awo-Sumpf auch für Schwesig noch unübersichtlich ist.