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Nach dem Bundesparteitag

Warum plötzlich jeder SPD-Mitglied werden will

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

In der SPD häufen sich die Neueintritte. Tausende neue Mitglieder verzeichneten die Sozialdemokraten in den vergangenen Monaten. Doch der Zuwachs könnte den Sozialdemokraten ernsthafte Probleme bereiten.
Veröffentlicht:24.01.2018, 12:13

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Seit dem Bundesparteitag am Sonntag im Bonn ist die Zahl der Neuanträge auf eine SPD-Mitgliedschaft erneut stark angestiegen. In nur 48 Stunden gaben 1700 Personen neue Mitgliedsanträge ab. Im größten Landesverband in Nordrhein-Westfalen sind bis Dienstagmorgen mehr als 520 neue Aufnahmeanträge online eingegangen. Dem stehen lediglich „eine Handvoll” Austritte gegenüber, sagte ein Parteisprecher. In Bayern gab es alleine am Montag 100 neue Eintritte, in Berlin wurden 70 Aufnahmeanträge gestellt.

Auch im Nordosten ist diese Tendenz spürbar. In Mecklenburg-Vorpommern, dem kleinsten SPD-Landesverband Deutschlands, wollten seit der SPD-Entscheidung, Koalitionsverhandlungen mit der Union zu beginnen, knapp 40 Personen Mitglied bei den Sozialdemokraten werden, sagte Landesgeschäftsführer Steffen Wehner. Damit könnte die Zahl der SPD-Mitglieder in Mecklenburg-Vorpommern auf rund 3.000 steigen. Vor einem Jahr hatte die SPD in MV noch 2.700 Mitglieder. „Wir haben seit 2016 einen deutlichen Zuwachs”, sagte Wehner. Höhepunkte seien der sogenannte Schulz-Hype Anfang 2017 und die „Jetzt erst recht”-Stimmung nach der Bundestagswahl mit jeweils zwischen 80 und 90 Neuanmeldungen gewesen.

Wachstum bringt Unruhe in die SPD

Der SPD in Brandenburg traten seit Sonntag 15 neue Mitglieder bei. Austritte habe es keine gegeben, sagte Generalsekretär Erik Stohn. Auch in Brandenburg setzt sich damit ein Trend fort: Seit der Bundestagswahl sind rund 160 Brandenburger in die Partei eingetreten, Austritte habe es laut Stohn nur knapp 40 gegeben.

Der Hauptgrund für die derzeitige Eintrittswelle ist wohl die Tatsache, dass die Parteimitglieder über einen möglichen Koalitionsvertrag zwischen SPD und Union abstimmen können. Damit könnten die derzeit 440.000 SPD-Mitglieder eine Große Koalition entweder absegnen oder verhindern.

Der Parteinachwuchs der Jusos startete kürzlich eine Kampagne unter dem Motto „Tritt ein, sag' Nein”. Der Juso-Chef in NRW, Frederick Cordes, kündigte sogar eine bundesweite Aktion an, die den Titel „Ein Zehner gegen die GroKo” tragen soll. Der SPD-Mitgliedsbeitrag für einen Geringverdiener beträgt zehn Euro für zwei Monate, bis Ende März soll der Mitgliederentscheid über die Bühne gegangen sein.

Für die SPD ist dieser Wachstum nicht sonderlich gesund, denn er könnte Unruhe in die ohnehin gespaltene Partei bringen und letztendlich sogar zu einem Mitgliederentscheid gegen die Große Koalition führen. Für langjährige SPD-Mitglieder, die die Große Koalition befürworten, muss sich dies wie eine Art feindliche Übernahme anfühlen.

Ortsvereine können Mitgliedschaft ablehnen

Deswegen sprach sich der Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion, Mattthias Miersch, gegen kurzzeitige Eintritte in die SPD aus. „Parteimitgliedschaft heißt, sich zu Grundwerten zu bekennen, und das ist entscheidend.” Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert teilt diese Ansicht. „Wir wollen Neumitglieder werben, die aus Überzeugung in die SPD eintreten”, sagte Kühnert am Dienstag der „Rheinischen Post”.

Dass der Zuwachs der SPD strategisch bedingt sein kann, zeigt auch der Partei-Eintritt der in Vorpommern lebenden Aktivistin Susanne Wiest, die sich für das Bedingungslose Grundeinkommen einsetzt und bis Dezember 2017 Bundesvorsitzende der Partei „Bündnis Grundeinkommen” war. „Mein Mitgliedsantrag ist abgesandt”, verkündete Wiest am Dienstag über das Kurznachrichtenportal Twitter.

Eintritte dieser Art sind naturgemäß mit einer Portion Opportunismus verbunden. Aktivisten wie Wiest erhoffen sich eine Plattform für ihre Ideen. Die Sozialdemokraten in MV betrachten diese Entwicklung zunächst einmal positiv. „Wer eine bestimmte Idee hat und glaubt, diese innerhalb der Grundwerte der Sozialdemokratie verwirklichen zu können, der ist in der SPD willkommen”, sagte SPD-Landesgeschäftsführer Steffen Wehner dem Nordkurier am Dienstag. Wehner bekräftigte jedoch die Tatsache, dass die Ortsvereine potenzielle Mitglieder ablehnen könnten.