StartseiteRegionalMecklenburg-Vorpommern▶ Was tun die Behörden gegen die vielen Hitzetoten?

Klimawandel

▶ Was tun die Behörden gegen die vielen Hitzetoten?

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Jedes Jahr sterben Tausende Menschen an der zunehmenden Hitze – auch in Deutschland. Wie schützen die Behörden ihre Bürger? Vor allem die besonders Gefährdeten?
Veröffentlicht:06.07.2022, 13:37

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Dass Hitze eine tödliche Gefahr ist, wurde hierzulande schon vor fast zwanzig Jahren erkannt. Spätestens seit dem Sommer 2003, in dem laut Robert-Koch-Institut (RKI) allein in Deutschland 9600 Menschen starben. In den Sommern 2003 und 2010 starben in Europa jeweils mehr als 40.000 Menschen.

Dunkelziffer der Todesfälle deutlich höher

Allerdings: Die Zahlen sind immer nur Schätzwerte. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher ausfallen. Denn Hitze wird oft nicht als Todesursache erfasst. Und auch Ärzte erkennen oft nicht, ob ein Patient an Hitze oder mit Hitze gestorben. Es ist vergleichbar mit der Frage, ob jemand an oder mit Covid gestorben ist.

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Fakt ist vor allem eins: Besonders gefährdet sind alte Menschen, chronisch Kranke, Säuglinge, Kleinkinder. Aber auch junge Sportler sterben, so wie der tragische Fall eines 28-jährigen Sportlers zeigt, der 2016 in Magdeburg bei einem Firmenstaffellauf starb – ohne Vorerkrankung. Und die Zahl der Opfer dürfte nicht nur wegen der Folgen des Klimawandels steigen. Die Deutschen werden auch immer älter, gerade im Nordosten, und somit gefährdeter. Schon 2008 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Hitzeschutzplan vorgelegt. Der Bund hat 2017 reagiert und ebenfalls eine Handlungsempfehlung herausgegeben. Auf den 30 Seiten erhalten Länder, Kommunen und Landkreise Tipps, wie sie einen Hitzeaktionsplan erstellen können, um ihre Bürger zu schützen.

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Doch wie wird dieser konkret umgesetzt? Und wie viele Menschen gehören im Nordosten zu den vulnerablen Personen, die besonders geschützt werden müssen? Vom Landkreis Vorpommern-Greifswald gibt es dazu folgende Antwort: „Dem Landkreis liegen keine derartigen Informationen oder Zahlen vor. Es stellt sich auch die Frage, ob die Landkreise die richtigen Ansprechpartner sind. Eventuell liegen auf Landesebene, etwa beim Landesamt für Gesundheit und Soziales, Informationen vor.” Auch Zahlen zu gefährdeten Personen könnten nicht genannt werden, „da der Grad der Gefährdung von verschiedenen Faktoren abhängt.” Fazit: Der Landkreis sieht sich nicht in der Verantwortung seine Einwohner vor zunehmender Hitze zu schützen.

Land MV hat keinen Hitzeplan

Der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte nimmt die Sache mit der Hitze hingegen etwas ernster: „Entsprechende Warnsysteme gibt es schon seit vielen Jahren”, informiert Pressesprecher Nils Henke. So stehe ein Warnsystem per Fax oder Mail zur Verfügung. Auch seien entsprechende Maßnahmenpläne für die Einrichtungen, wie etwa Krankenhäuser und Pflegeheime, etabliert. Federführend sei in Mecklenburg-Vorpommern immer das Sozialministerium, so der Pressesprecher. Das Sozialministerium MV hingegen erklärt, dass es „in Mecklenburg-Vorpommern (MV) keinen Landes-Hitzeplan gibt.” Es sei auch aktuell nicht geplant, einen zentralen Plan für MV zu erstellen. „Für die Entwicklung einer Gesamtstrategie sehen wir den Bund in der Verantwortung.” Das deckt sich mit Recherchen der Zeit, nach denen außer Nordrhein-Westfalen kein einziges Bundesland eine zentrale Koordinierungsstelle eingerichtet habe.

Das MV-Ministerium macht weiter deutlich, dass die Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteuren, wie zum Beispiel Pflegediensten, dem ambulanten und stationären Versorgungssektor, dem öffentlichen Gesundheitsdienst als auch den Krankenkassen erforderlich sei. Allen Akteuren werde empfohlen, den Hitzewarndienst des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zu abonnieren, um frühzeitig Maßnahmen ergreifen zu können. Dazu gehören Einrichtungen wie Rettungsdienste, Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten.

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Das Problem ist nur: Niemand ist bislang gesetzlich verpflichtet, die Hitzewarnungen des DWD abzurufen, geschweige denn Empfehlungen umzusetzen. Genau das kritisiert auch der Policy Brief für Deutschland, der als Kontrollinstanz fungiert: „Obwohl es schon seit Jahren Diskussionen und Empfehlungen zu Hitze in Deutschland gibt, verfügen nur wenige Kommunen über umfassende und integrierte Hitzeaktionspläne oder haben Vorliegende umgesetzt, wobei es dabei in den meisten Fällen nicht gelungen ist, Akteure aus dem Gesundheitssektor einzubinden.” Dieses Urteil trifft wohl auch hierzulande zu.