StartseiteRegionalInsel Rügen▶ Was versteckt diese Pappe im ehemaligen Nazi-Bad auf Rügen?

Naturschutz in Prora

▶ Was versteckt diese Pappe im ehemaligen Nazi-Bad auf Rügen?

Prora / Lesedauer: 3 min

Mehrere Stücken Dachpappe liegen im Küstenschutzwald bei Prora verteilt. Unter manchen befinden sich ganz besondere Lebewesen.
Veröffentlicht:04.08.2021, 18:19

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Mehrere Stücken Dachpappe liegen im Küstenschutzwald in Prora auf Rügen auf dem Boden. Spaziergänger bekommen den Eindruck, Müllsünder hätten sich an der Ostsee ausgetobt. Doch das Gegenteil ist der Fall, erklärt Dr. Ralf Grunewald, Artenschützer beim Landkreis Vorpommern-Rügen. Nicht Umweltsünder haben die jeweils einen Quadratmeter großen Stücke in der Landschaft hinterlassen, sondern Umweltschützer. Es geht darum, seltene Schlangen vor anstehenden Bauarbeiten zu schützen.

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Denn in dem ehemaligen Nazi-Seebad soll in fünf bis sechs Jahren ein Gedenk- und Erinnerungszentrum gebaut werden. Bevor die Bagger anrollen, überprüft die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises, ob die vom Aussterben bedrohte Glattnatter, die sehr seltene Kreuzotter und andere gefährdete Reptilien in dem Bereich leben. Die Pappstücken wurden verteilt, weil diese sich schnell erwärmen und Wärme lange speichern. Schlangen lieben das und versammeln sich vor allem unter, manchmal auch auf dem mit Bitumen getränkten Material. Naturschützern fällt es durch diese Methode leichter, die sehr zurück gezogen lebenden Schlangen zu entdecken, erklärt Ralf Grunewald.

Vom Aussterben bedrohte Glattnatter nachgewiesen

Und tatsächlich. Der Verdacht hat sich bestätigt. In dem einstigen „Kraft durch Freude”-Komplex lebt unter anderem die äußerst seltene Glattnatter, streng geschützt und kurz vorm Aussterben. Ihr Nachweis ist bereits gelungen. Gebaut werden darf wohl trotzdem, aber nicht ohne entsprechende Ausgleichsmaßnahmen. Der Glattnatter muss Ersatzlebensraum ganz in der Nähe zur Verfügung gestellt werden, kündigt Ralf Grunewald an und weist darauf hin, dass die Naturschutzgenehmigung für das Vorhaben noch nicht erteilt ist.

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Passanten rät er dringend davon ab, unter die Pappen zu schauen oder sie sogar mitzunehmen. Zum einen würden die scheuen Schlangen dadurch erheblich gestört und die Bestandsaufnahme verfälscht, zum anderen könnten sie durchaus beißen. Glattnattern seien zwar nicht giftig, Kreuzottern aber durchaus. Entzünden könne sich die Bisswunde einer Glattnatter aber allemal.

Rügen gehört zu den letzten Lebensräumen der Schlangen

Die Methode mit den Pappstücken sei nicht neu. Manchmal würden auch Metallplatten oder Folie verwendet. Egal was es ist, es solle an Ort und Stelle verbleiben. Die beauftragte Firma sammele die Teile nach Abschluss des Projekts im Regelfall wieder ein.

Wie viele Glattnattern auf Rügen leben, darüber gebe es keine Statistik. „Die Anzahl der Individuen ist sehr schwer zu schätzen, da das Tier sehr heimlich lebt, nur schwer nachzuweisen ist und tatsächlich auch nur selten nachgewiesen wird. Schätzungen der Gesamtindividuenzahl sind wenig sinnvoll und auch nicht belastbar.” Rügen gehöre zu den letzten Orten in Mecklenburg-Vorpommern, an denen noch Glattnattern leben.