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Computer-Geschenke

Wie die Wirtschaft in die Schulen drängt

Schwerin / Lesedauer: 3 min

Eine gemeinnützige Firma aus Berlin spendet derzeit deutschen Grundschulen programmierbare Mini-Computer. Dahinter stehen mächtige Unternehmen, allen voran Google. Das ist Lobbyismus, sagen Kritiker.
Veröffentlicht:21.10.2017, 09:52
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Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Birgit Hesse (SPD) freut sich reinen Herzens. "Was wir hier machen, ist ein Modell der Zukunft", sagte sie bei der Vorstellung der großzügigen Spende eines Unternehmens aus Berlin kürzlich in Schwerin. Schule und Wirtschaft sollten enger zusammenarbeiten. Die gemeinnützige GmbH schenkt 2500 Mini-Computer für 100 Grundschulen, wobei 25 Stück einen Klassensatz bilden. Der Wert des Engagements: 75.000 Euro. Kinder ab der dritten Klasse sollen damit spielerisch an das Programmieren herangeführt werden.

Kritiker sehen bei Computern Wirtschaftslobbyismus am Werk

Auf der Internetseite des Berliner Unternehmens erklärt Gesche Joost als eine der Gesellschafterinnen, mit dem Mini-Computer "wollen wir einen Startschuss für die digitale Bildung in Deutschland geben". Ziel sei es, heißt es, flächendeckend alle Drittklässler mit dem Gerät auszustatten. Mittelfristig solle es fest in den Schulalltag integriert werden.

Kritiker sehen hier Wirtschaftslobbyismus am Werk. Das sollen und wollen die Bildungsminister eigentlich verhindern, schließlich legen sie die Bildungsinhalte an den Schulen fest und nicht Unternehmen. Laut einer Verwaltungsvorschrift des Schweriner Bildungsministeriums etwa ist bei Schulsponsoring der Bildungs- und Erziehungsauftrag dann gefährdet, "wenn aufgrund der Höhe oder Dauer einer Zuwendung eine Abhängigkeit des Unterrichtsbetriebes von einem bestimmten Sponsor zu befürchten ist".

Die Fraktionsvorsitzende der Linken im Landtag, Simone Oldenburg, sieht diesen Tatbestand im Falle des Mini-Computers erfüllt. "Es soll ausschließlich das Produkt dieser einen Firma zum Einsatz kommen", sagt sie.

Es gibt auch alternative Produkte auf dem Markt

Solch ein Mini-Computer, der die Form eines Sheriff-Sterns hat und wie das Innenleben eines Rechners aussieht, kostet rund 35 Euro. Ein großer Schulbuchverlag, der das Projekt unterstützt, vertreibt auch das Gerät. Der Link zum Shop des Verlages steht auf der Internetseite des Spendenprojektes dabei.

Dabei seien auch alternative Produkte auf dem Markt, sagt René Scheppler von der Lehrergewerkschaft GEW in Hessen. Er befasst sich seit längerem mit der Spendenpraxis des gemeinnützigen Berliner Unternehmens. Schepplers Fazit seiner bisherigen Recherchen: "Ich habe den Eindruck gewonnen, dass hier eine Einflussnahme auf schulische Bildung stattfindet."

Lediglich 100 Klassen können an dem Pilotprojekt teilnehmen

Nach Oldenburgs Einschätzung verstößt Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Hesse in mehreren Punkten gegen ihre eigene Verwaltungsvorschrift. Demnach ist die ordnungsgemäße Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages gefährdet, "wenn die Höhe der Zuwendung für bestimmte Schulen auf Dauer zu einem solchen Gefälle zwischen einzelnen Schulen führen würde, dass die Chancengleichheit aller Schülerinnen und Schüler in ihrer schulischen Ausbildung beeinträchtigt würde". Dies ist laut Oldenburg der Fall, da lediglich 100 Klassen an dem Pilotprojekt teilnehmen können. "Wir haben aber rund 2000 Grundschulklassen an etwa 200 Schulen", sagt sie.

Hesse rief bereits Unternehmen im Nordosten auf, die Mini-Computer des Berliner Unternehmens zu kaufen und für weitere Schulen in MV zu spenden.

Ein Sprecher des Berliner Unternehmens bestätigt, dass die Unterstützer des Projektes nach dem Umfang ihres Engagements auf der Internetseite aufgelistet sind. Ganz oben steht Google. Wieviel Geld der US-Internet-Gigant für das Projekt lockermacht, ist jedoch nicht ersichtlich. Nur so viel: Das Engagement ermögliche erst die kostenlose Verteilung der Mini-Computer in den Bundesländern.