StartseiteRegionalMecklenburg-VorpommernZeitzeugen kehren in Rostocks Stasiknast zurück

Sanierung von DDR-Bau

Zeitzeugen kehren in Rostocks Stasiknast zurück

Rostock / Lesedauer: 3 min

Das ehemalige Stasi-Gefängnis in Rostock wurde frisch saniert. Zwei Zeitzeugen besuchten es und erinnerten sich sofort an die furchtbare Zeit ihrer Haft.
Veröffentlicht:17.06.2021, 20:23

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„Ich bin damals hier hereingekommen und hatte von der ersten bis zur letzten Minute an nur Angst.” Die 54-jährige May-Britt Krüger steht am Donnerstag in der frisch sanierten ehemaligen Stasi-Untersuchungshaftanstalt in Rostock und lässt die Erinnerung an die Tage im Sommer und Herbst 1989 schweifen. Sie war in dem massiven Gebäude in der Innenstadt ein gutes Vierteljahr unter anderem wegen Bandenbildung und Verdacht auf Republikflucht inhaftiert. Vor allem der Geruch des alten Linoleums beschäftigt sie: „Das stülpt einem sofort die Mütze über.”

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Das Ausgeliefertsein baulich umgesetzt

Das Linoleum im Eingangsbereich ist abgewetzt, brüchig – es wurde bewusst nicht ausgetauscht. „Das Haus hat nach der Sanierung seine Originalität behalten”, sagt der Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde Rostock, Volker Höffer. So könne heute noch diese architektonische Machtdemonstration gezeigt werden. „Es ist beeindruckend, wie eine Diktatur das Ausgeliefertsein der Betroffenen auch baulich umsetzen kann.” Er zählt auf: Die Größe, die Menge an Zellentüren, steile Treppen, Lichtarmut durch Glasbausteine, die Gedämmtheit. „Jeder sollte den Eindruck haben, wirklich weggesperrt zu sein.”

Das kann der 61-jährige Detlef Chilla nur unterschreiben. Die Sanierung sei sehr authentisch umgesetzt worden. Er komme hinein und sei zurückversetzt in die Vergangenheit. „Ich sehe mich noch aus der Zellentür kommen und der Schupo steht hinter mir”, erzählt er von den bitteren Wochen und Monaten, die er wegen illegalen Grenzübertritts und später wegen „der Verbindung zu einer fremden Macht zum Nachteil der sozialistischen Gesellschaftsordnung” verbringen musste. Viele Opfer seien bis heute nicht rehabilitiert, kritisiert er.

4000 Menschen waren dort untergebracht

„Man hat hier die Identität verloren, man hat keinen Namen, war nur noch eine Nummer”, sagt Chilla. Und May-Britt Krüger fügt hinzu: „Die Erinnerung geht nicht mehr weg. Ich habe Schrammen auf meiner Seele, mit denen muss ich leben, mit denen kann ich leben.” Die Kontrolle sei allgegenwärtig gewesen, außer in der Dusche. Da gab es eine Ecke, die für die neugierigen Blicke der Wärter nicht erreichbar war.

Krüger und Chilla gehören zu einer Gruppe von ehemaligen Häftlingen des Stasi-Knastes, die an diesem Tag als erste in das Gebäude dürfen. Von 1960 bis 1989 waren dort rund 4000 Menschen aus überwiegend politischen Gründen untergebracht.

Nach der Umstrukturierung der Stasi-Unterlagen-Behörde ist nun die Landeszentrale für politische Bildung für die Gedenkstätte verantwortlich. Es sei ihm ein besonderes Anliegen, dass am 68. Jahrestag des DDR-Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 ehemalige Häftlinge das Gebäude besichtigen und sie sich diesen Ort aneignen können, betont Landeszentralen-Chef, Jochen Schmidt.

4,2 Millionen Euro Kosten

Solche Treffen mit den Häftlingen soll es künftig regelmäßig geben, betont die neue Leiterin der Gedenkstätte, Steffi Brüning. „Wir wollen ein offenes Haus für die Betroffenen sein.” In dem für 4,2 Millionen Euro sanierten Gebäude solle ein würdiges Gedenken mit moderner Bildungsarbeit verbunden werden.

Der 17. Juni sei ein Tag der Erinnerung und des Gedenkens, sagt Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Bettina Martin (SPD). Er sei auch ein Tag der Ermutigung und Aufforderung. „Eine Ermutigung deshalb, weil sich der Drang nach Freiheit und Demokratie nicht auf Dauer unterdrücken lässt und eine Aufforderung, auch heute für Demokratie und Freiheit einzustehen.”