StartseiteRegionalMecklenburgische SchweizBittere Pille für den Mann im Rollstuhl

Prozess um kaputtes Hüftgelenk

Bittere Pille für den Mann im Rollstuhl

Levin / Lesedauer: 3 min

Operationen, Infektionen, Schmerzen. Klaus-Dieter Krauße aus Levin ist seit Jahren im Wechsel an Rollstuhl und Bett gefesselt. Schuld ist ein schadhaftes Hüftgelenk einer US-Firma. Krauße klagte gegen den Hersteller. Vor dem Landgericht in Neubrandenburg war jetzt Prozessauftakt.
Veröffentlicht:05.02.2015, 09:09

Artikel teilen:

Ausgelassen, gespannt, vielleicht ein bisschen nervös. Auf der Fahrt zum Landgericht herrschte noch gute Stimmung: Familienangehörige und Freunde begleiteten Klaus-Dieter Krauße. Der Mann aus Levin klagt seit vier Jahren gegen eine US-Firma. Deren Hüftgelenke wären schadhaft, hätten bei ihm zu Blutvergiftungen und Embolien geführt. Mittwoch dann der erste Verhandlungstermin: Da kippte die Stimmung. Am Ende der nicht einmal 45 Minuten konnte Krauße seine Enttäuschung nur schwer verbergen: „Komischerweise sind in Deutschland über 5000 Menschen betroffen, wo doch die Gelenke so gut sein sollen“, machten sich die Emotionen des 58-jährigen Luft. Michael Kücken als Vorsitzendem Richter am Landgericht gab er den Rat, sich im Fernsehen doch mal einen kritischen Beitrag über die „tollen Supergelenke“ anzuschauen.

Freunde zweifeln an der Justiz

Fassungslosigkeit und Unverständnis auch bei den Begleitern Kraußes. Schulkamerad Gerhard Brandt zweifelt ebenso wie Krauße an der deutschen Justiz. Da habe wohl nur der eine Chance, der über einen langen Atem und das dafür nötige Geld verfügt. Auch Jürgen Polchow kann angesichts der  vorläufigen Entscheidung nur den Kopf schütteln: Der Richter müsse sich erst in die Materie einlesen, habe er unumwunden selbst eingestanden. „Ist dazu nicht schon genug Zeit gewesen?“, fragen sich die Männer. Sie können die Argumentation des Richters nicht nachvollziehen. Der habe auf sie fast schon wie ein Anwalt der beklagten Partei gewirkt. Inge Matz wirkt ebenso nachdenklich-betroffen. Die Physiotherapeutin von Krauße hatte diesen begleitet, denn „ich habe bei mir selbst mehrere Patienten mit ähnlichen Problemen und Sorgen. Da ist es gut, ihnen vielleicht helfen und raten zu können, wie sie vorgehen könnten.“

Sind Keime auch während der OP in Kraußes Körper gelangt?

Richter Kücken stellte die Schwierigkeit dar: Die beklagte Firma sei Vertreiber der Gelenke. Damit entfalle die Produkthaftung. Die vermuteten Mängel müssen bewiesen werden, damit der Hersteller belangt werden kann. Und die Keime könnten auch bei den Operationen oder während der Aufenthalte in den Krankenhäusern in den Körper gelangt sein. Am 25. März soll eine Grundsatzentscheidung verkündet werden. Bis dahin hat ein Sachverständiger die Güte der Hüftgelenke zu bewerten. Danach könne über eventuelle finanzielle Entschädigungen geredet werden.

Krauße ringt um Fassung: „Es hat schon so lange gedauert in unserer ach so langsam mahlenden Justiz. Und es wird wohl noch einige Zeit dauern.“ Ernüchterung. Doch jetzt aufgeben, das möchte und kann der Mann auch nicht. Ihm gehe es gar nicht um das Geld, sondern darum, dass ihm endlich Gerechtigkeit widerfahre. Derweil lenkt Felix Steinhagen schweigend den Bus zurück. Heim nach Levin. Der Sohn von Kraußes Lebensgefährtin Birgit weiß selbst nur zu gut, mit welchen Wechselbädern der Gefühle nicht nur der Mann im Rollstuhl schon seit sieben Jahren klarkommen muss. Die Familie leidet mit ihm. Und auch wenn die Kinder sich gemeinsam um die Pflege von Haus, Hof und Garten kümmern: Viel psychologische Arbeit ist nötig, um Krauße aus gewissen „Tälern“ herauszuhelfen. Das gilt nun auch für die kommenden Wochen bis zur Entscheidung.