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Ausbildung

Jana wirbt täglich um ihre "große Liebe"

Bredenfelde / Lesedauer: 4 min

Schon in der Schule kann sie an fast nichts anderes mehr denken. Jana Stüber will nur nach Hause, in den Briefkasten gucken, in ihrem Zimmer verschwinden und telefonieren. Jedes Mal, wenn sie daran denkt, pocht ihr das Herz ein bisschen schneller.
Veröffentlicht:24.11.2006, 10:59
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Fast könnte man denken, die 15-Jährige ist verliebt. Aber so ist es nicht. "Guten Tag, mein Name ist Jana Stüber", beginnt sie all ihre Telefonate. "Ich bin aus Bredenfelde und wollte fragen, ob sie ausbilden", versucht sie ruhig in den Hörer zu sprechen. So geht es jetzt schon seit fast zwei Monaten, Nachmittag für Nachmittag. Sie schlägt in den Gelben Seiten die Stelle mit den Unternehmen auf, bei denen sie gern anfangen würde, ruft sie an, streicht sie durch oder setzt ein kleines Häkchen dahinter.

Jana Stüber geht in die zehnte Klasse. Im nächsten Jahr wird sie die Realschule in Woldegk mit gutem Zeugnis abschließen, ist sie sich sicher. Dann soll eine Ausbildung zur Schilder- und Leuchtreklame- oder Schriftgestalterin folgen. "Leicht ist das nicht", hat die zierliche Blondine festgestellt. "Die meisten Firmen bilden nicht aus." Manchmal aber hat sie Glück und es wird ein Lehrling gesucht. Dann sagt sie voller Freude: "Sie werden bald von mir hören. Meine Bewerbung geht Ihnen in wenigen Tagen zu."

Um ihren Traumjob zu bekommen, lässt die Zehntklässlerin nichts unversucht. Vier Mal war sie schon im Berufsinformationszentrum (BIZ) in Neubrandenburg, hat sich über Ausbildungsberufe und deren Anforderungen informiert, das dicke Buch "Beruf aktuell" (herausgegeben von der Arbeitsagentur) gewälzt. Hier fand sie auch ihre beiden Favoriten - rechtzeitig genug, um ihr Neunte-Klasse-Praktikum bei einer Neustrelitzer Werbeagentur einzutüten. Ein Ferienjob folgte, der Chef war zufrieden, "aber leider bilden sie nicht aus", sagt Jana Stüber. "Sonst hätte ich eine Chance."

"Oft ist es wirklich so, dass ein Schulpraktikum der erste Schritt zum Traumberuf ist", weiß Silvia Porschitz. Sie leitet das BIZ in Eberswalde. "Wenn die Jugendlichen erst mal hier sind, ist das Interesse auch da", sagt sie. "Nur leider beginnen die meisten zu spät, sich zu informieren." Vielen müsse sie dann sagen, dass ihre Noten nicht für den gewünschten Beruf reichen, für kreative Jobs eine Mappe mit Arbeitsproben vorliegen muss oder sie wenigstens ein Praktikum absolviert haben sollten.

Auch in Janas Klasse grassiert nicht gerade das Bewerbungsfieber: "Die meisten wollen sich erst im Februar mit dem Halbjahreszeugnis bewerben", sagt die junge Frau. Viele wüssten noch nicht einmal, was sie werden wollen. Einige Mädchen könnten sich aber eine Zukunft in der Altenpflege vorstellen. Und damit liegen sie voll im Trend. Auch bei Silvia Porschitz im BIZ interessieren sich viele Mädchen für Pflegeberufe. Erzieherin, Frisörin und Designerin sind ebenfalls gefragt. Bei den Jungen macht der Mechatroniker nach wie vor das Rennen. Auch Computer-Spiele-Entwickler klingt für viele verlockend. Erstaunen breitet sich allerdings aus, wenn Porschitz erklärt, welche Anforderungen sich hinter diesem Beruf verbergen.

Diese Qual der Wahl steht Jana nicht mehr bevor, doch hat auch sie Ausweichmöglichkeiten parat. Falls es mit ihren Wunschberufen nicht klappt, würden sie Zahnarzthelferin oder Augenoptikerin interessieren. Aber warum sollte bei ihren bislang 30 abgeschickten Bewerbungen nicht wenigstens eine zum Ziel führen? Zumal lange nicht alle potenziellen Unternehmen abgeklappert sind: "Unsere Gelben Seiten habe ich zwar schon durch", sagt sie. "Meine Tante hat mir jetzt aber noch die Brandenburg-Ausgabe zugeschickt" - die auch schon Markierungen zieren.


Am späten Nachmittag, wenn Jana der Kopf vom Telefonieren schwirrt, nimmt sie sich die Häkchen-Adressen vor. Im Schneidersitz hockt sie auf dem Bett vor der hellen Wand, an die sie Puzzles und Poster von Lukas Podolski geheftet hat, und formuliert Anschreiben auf ihrem Laptop. Den hat sie sich extra zum Bewerbungschreiben zugelegt - "und für die Lehre, denn da kann ich den großen PC ja nicht mitnehmen."

Am Abend, wenn ihre Eltern von der Arbeit kommen, hat auch Jana ihr Tagewerk geschafft und zwei bis drei Bewerbungen formuliert. "Mutti braucht sie nur noch auf Rechtschreibfehler durchgehen", sagt Jana, "bevor Papa das Foto aufklebt". Spätestens am nächsten Tag gehen die Schreiben dann auf die Reise. "Wenn die Firmen nicht zu weit weg sind, gebe ich sie persönlich dort ab. Das macht einen guten Eindruck", sagt die junge Frau. "Entweder fahre ich mit dem Bus oder ich lass mich von meinen Eltern hinfahren." Für sie selbst allerdings ist diese Fahrt immer ein wenig aufregend. "Was ziehe ich an? Was sage ich?", sind ganz entscheidende Fragen. Einige Male hat Jana Stüber die Tour schon hinter sich. Deshalb spurtet sie jeden Tag aufgeregt zum Briefkasten.

Und irgendwie ist es ja nun doch ein bisschen wie bei einer Liebesbeziehung, einer, die sich gerade anbahnt und eines Tages in der ganz großen Liebe zum Traumberuf enden soll.

In den Gelben Seiten will Jana Stüber ihr berufliches Glück finden. Jeden Tag sitzt die 15-Jährige mit ihrem "mobilen Büro" auf dem Bett, sucht Ausbildungsbetriebe, ruft sie an und schreibt ihnen Bewerbungen.