Das Geheimnis ist gelüftet. Seit Jahrzehnten war die Kugel auf der Spitze der Stavenhagener Stadtkirche unberührt geblieben. Doch im Zuge der laufenden Dachsanierung des Turmes ist sie am Dienstag aufgeschweißt worden. Eigentlich wollte Pastor Kristian Herrmann die darin befindliche Zeitkapsel herausholen, doch seine Arme waren zu klein für die riesige Kugel. So überließ er Klaus-Dieter Laasch vom Kirchengemeinderat diesen historischen Moment, der den Dokumenten-Zylinder ans Tageslicht brachte. Noch in luftiger Höhe machte sich Dachdecker Mario Meißner mit einem Trennschleifer daran und öffnete die Kapsel. Beim ersten Blick hinein, war wie erwartet eingerolltes Papier zu sehen, noch sehr gut erhalten. Doch aus welcher Zeit? Darauf war nicht nur Kristian Herrmann gespannt.
Damals Krise, heute Krise
Als er den ersten Satz eines zeitgeschichtlichen Textes las, könnte dieser auch in die heutige Zeit passen. „Wir befinden uns seit Mitte der 70-er Jahre weltweit in einer Krisensituation, deren Ende vorläufig noch nicht absehbar ist.“, stand auf einem weißen Blatt mit Schreibmaschine geschrieben. Und auch das hielt Propst Johannes Lohmann für die Nachwelt auf: „Die DDR erhält sich ihren guten außenwirtschaftlichen Status auf Kosten einer immer bedrückenderen wirtschaftlichen Situation im Innern. Es blüht die Korruption auf allen Ebenen.“ Solche Sätze waren natürlich nicht im „Neuen Deutschland“ abgedruckt, von dem eine Zeitungsausgabe vom 3. Juli 1981 beilag.
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Auch eine Kirchenzeitung vom 5. Juli 1981 steckte in der Zeitkapsel. In einer kleinen Tüte befanden sich Alu-Münzen aus der DDR, alle Mark- und Pfennig-Stücke, die es gab. Auf einem Zettel hatten sich zudem die Handwerker von damals per Unterschrift verewigt, die an der Dachsanierung vor über 40 Jahren beteiligt waren – Malchiner und Stavenhagener Namen, die noch heute bekannt sind. Die Kirchengemeinde hatte damals die Schindeln für den Turm aus dem Westen, von der Partnergemeinde Regensburg aus Bayern erhalten, erinnerte sich Klaus-Dieter Laasch. Das Eternit, ein asbesthaltiges Kunststoffgemisch, wird aktuell nun mit ausgetauscht. „Wir liegen im Zeitplan“, sagte Pastor Herrmann.
Neue Zeitkapsel soll eingelassen werden
Die Sanierung im wesentlichen Teil am Dachstuhl steht kurz vor dem Abschluss, Schwellen und einige Dachbalken sind erneuert. Das Turmdach hat eine neue Schalung erhalten. Von oben nach unten wird es jetzt neu mit Schiefern aufgedeckt. Am Dienstag nächster Woche soll die Zeitkapsel wieder in die Turmkugel eingelassen werden, dann ergänzt mit neuen Dokumenten. So sollen eine Ausgabe des Nordkurier und der Kirchenzeitung, Euro-Münzen sowie die Gedenkmünze, ein Silbertaler der letzten Sanierung von 2015 in den Zylinder gesteckt werden. Der Pastor will auch einen Text über die heutige Zeit schreiben und hineinlegen, um etwas für die Nachwelt zu hinterlassen.