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Das aktuelle Interview

Gut geschnallt ist halb gerettet

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Für viele Fachleute ist es eine der wichtigsten Erfindungen für Autos: Der Sicherheitsgurt. Matthias Lanin sprach mit Reiner Luthardt, dem Niederlassungsleiter der Neubrandenburger Dekra über Gurtsysteme, ihre Anwendung und ihre Bedeutung.
Veröffentlicht:02.10.2013, 15:40
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Wie wichtig sind Sicherheitsgurte?

Der Sicherheitsgurt ist nach der Erfindung des Autos die wichtigste Erfindung am Auto, die bislang gemacht wurde. Sie haben für Fahrzeuginsassen einen sehr großen Sicherheitsgewinn geschaffen. 1985 hat das bayrische Patentamt den Sicherheitsgurt als eine der acht wichtigsten Erfindungen des letzten Jahrhundert bezeichnet und das mit Recht. Der Sicherheitsgrut dürfte inzwischen Millionen von Autofahrern auf der Welt das Leben gerettet hat.

Also ist der Sicherheitsgut ein echter Lebensretter?

Ja, das ist er. Dafür ist es aber wichtig, dass man ihn auch richtig nutzt. Seine Geschichte ist ja noch relativ frisch. Er wurde in den fünfziger Jahren erfunden und dann bis zum heutigen Standard, dem Drei-Punkt-Sicherheitsgurt, weiterentwickelt. Die Gurtpflicht in Deutschland gibt es seit dem 1. Januar 1974 für die Hersteller von PKW. Die Anlegepflicht kam erst später. Das Bußgeld zum Beispiel wurde erst seit 1984 erhoben.

Und in der DDR?

In der DDR hatte man früher Gurtpflicht als in der Bundesrepublik und diese war auch mit entsprechenden Sanktionen belegt. Allerdings gab in der DDR aus materiellen Gründen viel länger Zweipunkt- oder Beckengurte.

Wie legt man den Gurt richtig an?

Ein paar Grundregeln: Der Gurt muss straff am Körper sein. Der Beckengurt sollte im Bereich des Hüftknochens anliegen und nicht auf dem Bauch! Der Schultergurt darf auf keinen Fall nicht am Hals anliegen. Das gibt bei Kollisionen unnötige und gefährliche Halsverletzungen. Der Gurt sollte nicht verdreht sein und dicke Kleidung sollte man vor dem Anschnallen ausziehen.

Wieso?

Also im Prinzip funktioniert der Sicherheitsgurt so: Das Fahrzeug wird bei einer Kollision abrupt verzögert. Alle Teile des Autos wie auch der Fahrer haben die Geschwindigkeit des Fahrzeuges. Wird das Fahrzeug abgebremst, bewegt sich der Insasse zunächst weiter und trifft mit der entstandenen Geschwindigkeitsdifferenz auf. Als Unfallanalytiker nennen wir das „Delta V“. Wenn jemand vor eine Mauer fährt, geht die Geschwindigkeit von 50 auf Null zurück und das in einem Bruchteil einer Sekunde. Ist der Insasse nicht angeschnallt, trifft er mit dieser Geschwindigkeit auf Fahrzeugteile oder andere Insassen. Die Beschleunigung des Körpers beträgt in dem Beispiel durch die Trägheit das vierzig- bis fünfzigfache. Es ist reine Physik, dass man dabei also mit dem fünfzigfachen seines eigenen Körpergewichts auf die Fahrzeugteile aufschlagen würde. Ohne Gurt!

Kann das ein durchtrainierter Mann am Lenkrad mit den Armen halten?

Nein! Ein 80-Kilo-Mann würde dabei mindestens vier Tonnen halten müssen... Das kann keiner. Der Sicherheitsgurt verbindet mich mit dem Fahrzeug und verzögert dabei die Kräfte. Das ist ähnlich wie beim Bremsen. Wenn ich langsam bremse, merke ich es nicht. Mache ich aber eine Vollbremsung, spüre ich einen Ruck.

Und was ist mit der dicken Winterjacke?

Untersuchungen zeigen, dass ein Gurt, der über einer dicken Winterjacke liegt, wertvolle Sicherheit verschenkt: Bei einem Unfall kann der Körper unter dem Gurtsystem wegrutschen. Im ungünstigsten Fall prallt der Fahrer dann mit den Knien ins Armaturenbrett oder der hoch rutschende Gurt verletzt Bauchorgane. Außerdem wird durch die „verschenkte“ Gurtlänge der Oberkörper zu weit nach vorn geschleudert, was zu Verletzungen im Brustbereich führen kann.