Bürgermeister Ernst-Jürgen Lode (SPD) ist bekannt für klare Worte. Und manchmal platzt ihm auch der Kragen. So wie in dieser Woche im Gespräch mit dem Nordkurier. „Als Bürgermeister haben wir es vor Ort täglich mit dem ‚Sch....dreck‘ zu tun, den die Bundes- und Landesregierung mit ihrer Politik anrichtet“, sagt das 81-jährige Stadtoberhaupt verärgert. Lode ist seit 2004 ehrenamtlicher Bürgermeister in Woldegk. Er kennt sich in Sachen Politik aus und er weiß, wie die Bürger ticken. Im Februar hat er gemeinsam mit Constance von Buchwaldt, der Bürgermeisterin der Feldberger Seenlandschaft, und dem Penzliner Stadtoberhaupt Sven Flechner (alle SPD) einen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz, an Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und an weitere hochrangige Politiker seiner Partei geschrieben. Der als „ernstes Signal von der Basis“ gedachte Brief muss seitdem in Berlin und Schwerin eine Menge Staub angesetzt haben. Er ist nicht beantwortet worden.
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Schlechte Infrastruktur, fehlendes Personal
Der Brief von der Basis liefert eine Zustandsbeschreibung der Gesellschaft vor Ort, bei der eigentlich bei den Zuständigen die Alarmglocken angehen müssten, findet das Woldegker Stadtoberhaupt. Es geht um den ländlichen Raum, der überproportional die Kosten für die industrielle Energieversorgung trage, um die höchsten Strompreise, die schlechten Mobilfunkverbindungen, um fehlendes leistungsfähiges Breitband. Es geht um die hohe Belastung der kommunalen Haushalte durch die steigenden Sozialkosten und durch Abgaben wie die Kreisumlage. Es geht um mangelnde Digitalisierung bestimmter Bereiche, um die Bürokratisierung von Genehmigungsverfahren. „Es muss zu einer Rückbesinnung auf die Kernaufgaben des Staates kommen und diese Kernaufgaben müssen entbürokratisiert werden“, fordern die Autoren des Briefes.
Kritik an der Bildungspolitik
Vorgeworfen wird der Regierung eine ideologisch getragene Argumentation, etwa bei der Politik für erneuerbare Energien, in der Landwirtschaft beim Naturschutz und beim Umgang mit dem Wolf. „Raubtiere werden romantisiert und verniedlicht“, heißt es in dem Schreiben. Harsche Kritik wird zudem an der Bildungspolitik geäußert. „Eine weitere Herausforderung für unsere Kinder und Jugendlichen ist, dass diese die Leidtragenden des fehlgeschlagenen Personalentwicklungskonzeptes der öffentlichen Hand sind“. Der Brief umfasst fasst vier DIN A 4-Seiten.
Erst Geduld, dann Ärger
Nach Absenden des Briefes am 15. Februar haben seine Autoren sich lange in Geduld geübt. Und sich zunächst manches auch mit dem zwischenzeitlichen Ausbruch des Krieges Russlands gegen die Ukraine erklärt. Doch als auch Wochen später keine Antwort von höherer Stelle kam, hat der Woldegker Bürgermeister nachgefragt. Einmal, zweimal, dreimal, noch öfter. Eine Antwort gibt es immer noch nicht, aber einen Termin. Am 7. Juli – fast fünf Monate nach dem Erhalt des Briefes von der Basis – will die Schweriner Staatskanzlei für ein Gespräch zur Verfügung stehen. Leider nur digital, bedauerte Ernst-Jürgen Lode in der Sitzung der Stadtvertretung in dieser Woche. Dort hatte er den Brief verlesen. Ein direktes Gespräch wäre ihm lieber gewesen, weil man Emotionen besser rüberbringen könne. Dass es so viele Monate dauerte, bis man in Kontakt gekommen ist, verärgert das Stadtoberhaupt zutiefst. Man könne sich nicht hinstellen und erklären, man mache Politik fürs Volk und reagiere dann nicht auf seine Signale.
Landesministerin hat bisher auch nicht geantwortet
Es ist indessen nicht die einzige Botschaft aus Woldegk, die wohl in Sande verlief. Stadtvertreterin Peggy Baum, die dem Sozial- und Finanzausschuss vorsteht, hatte sich zum Thema Bildung in einer E-Mail an die zuständige Landesministerin Simone Oldenburg gewandt. Auch diese Nachricht ist bis heute nicht beantwortet, hieß es in der Sitzung der Stadtvertretung.
Humor trotz Ärger: „Wir sind die Meckergruppe“
Die Bürgermeister aus der Feldberger Seenlandschaft, aus Woldegk und aus Penzlin machen sich indessen nicht zum ersten Mal überregional für Verbesserungen stark. Auch in Sachen Finanzausgleich sind sie beispielsweise schon bei der Landesregierung aktiv geworden. Alle drei sind auch Mitglieder des Kreistags der Seenplatte. „Wir sind die Meckergruppe“, sagt der Woldegker Bürgermeister. Wenigstens ist ihm der Humor noch nicht ganz verloren gegangen.