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Tierseuche

Afrikanische Schweinepest muss draußen bleiben

Seenplatte / Lesedauer: 5 min

Mecklenburg-Vorpommerns Landwirte tun Alles, um die Tierseuche ASP von ihren Ställen fernzuhalten. Doch auch Jäger sind gefragt – und sogar die Verbraucher können etwas tun.
Veröffentlicht:20.09.2020, 08:14

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Es ist ruhig auf dem Gelände der Agrarunion Kogel im Süden der Mecklenburgischen Seenplatte. Hin und wieder fährt ein Traktor auf den Hof, ein Gärtner werkelt im Gewächshaus, Kühe mampfen im Stall, ein Hund wälzt sich vor dem Verwaltungsgebäude – es ist ein Tag wie jeder andere in dem Landwirtschaftsbetrieb.

Doch Geschäftsführerin Kati Schiffler ist angespannt. 1700 Ferkel wachsen in einer Stallanlage zu 120 Kilogramm schweren Mastschweinen heran. Ihnen gilt die Sorge der Agraringenieurin. Denn seitdem die Afrikanische Schweinepest (ASP) Deutschland erreicht hat, stehen Schweinehalter bundesweit unter Druck. „Das kommt zur denkbar ungünstigsten Zeit“, sagt die 41-Jährige.

„Mittlere Katastrophe”

Verbot von Kastenständen, Kastrations- und Kupierverbot, Preisverfall durch Corona, knappe Futtervorräte wegen mehrerer Dürrejahre – und jetzt auch noch die Schweineseuche. „Die Bauern haben eigentlich ganz andere Sorgen. Dass ausgerechnet jetzt ASP kommt, ist eine mittlere Katastrophe“, bestätigt auch Jörg Brüggemann von der LMS Agrarberatung. „Bereits ein einziges totes Wildschwein hat in ganz Deutschland zu Restriktionen geführt. Das ist ein großes Problem für die Bauern.“ Die größten Abnehmerländer China und Korea kaufen kein Schweinefleisch mehr aus Deutschland. In der Folge sanken die Kilopreise innerhalb eines Tages von ohnehin schon billigen 1,47  Euro auf 1,27  Euro. Wer jetzt Schweine verkaufen muss, zahlt drauf, und zwar 20 bis 30 Euro pro Tier, sagt Kati Schiffler.

Angst, dass Schlachthöfe keine Tiere mehr annehmen

Doch Schweinebauern können nicht warten, bis „die Querelen vorbei sind“, wie Jörg Brüggemann sagt. Die Schweine wachsen schnell, egal wie die Preise sind. Bald sind sie zu groß für die Ställe. Dann können Tierschutzbestimmungen nicht mehr eingehalten werden. „Das ist nicht schön für Mensch und Tier“, sagt Kati Schiffler.

Ihre größte Angst ist, dass die Schlachthöfe keine Schweine mehr annehmen.„Wir haben immer noch einen Rückstau wegen der Tönnies-Sache. Wenn jetzt die Speditionen sagen, wir fahren nicht mehr, dann wird es ernst.“ In einigen Betrieben sei die Lage jetzt schon dramatisch. Sie habe schon von weinenden Schweinebauern gehört.

Ferkel bringen besondere Probleme

Besonders schlimm könne die Situation für Ferkelproduzenten werden. „Als Mäster kann man sagen, ich kaufe keine Ferkel mehr.“ Bei Sauenhaltern hingegen, die hunderte trächtige Schweine im Stall haben, nehmen die Dinge naturgemäß ihren Lauf. Die Ferkel kommen zur Welt, nehmen zu, müssen verkauft werden – wenn sich denn Käufer finden. Ihr eigener Betrieb habe die Sauenhaltung schon vor drei Jahren eingestellt. Der Stall hätte umgebaut werden müssen, damit er den neusten Vorschriften entspricht. Das hätte sich nicht rentiert. Die ganze Branche hofft, dass der Spuk schnell vorbeigeht und sich der Markt beruhigt.

Kati Schiffler tut alles Menschenmögliche, um die Ausbreitung des Virus’ zu verhindern und ihn nicht in ihren Stall zu lassen. Ihre Ferkel leben wie in einem Hochsicherheitstrakt. Nur eine handverlesene Auswahl an Menschen darf hinein – zwei Tierpfleger, die Chefin, zwei Mitarbeiter des Veterinäramts, der Tierarzt, mehr nicht. Wer rein geht, muss durch eine Seuchenwanne in eine Schleuse. Dort zieht er Kleidung an, die sich in der Anlage befindet und das Gebäude auch nie verlässt. Ein Doppelzaun hält Füchse, Marder, Wildschweine und andere potenzielle Überträger fern. Ratten und Mäuse werden konsequent bekämpft. Bei den Ferkeln wird regelmäßig Fieber gemessen und Blut abgenommen.

Zu viele Wildschweine

Überraschend kommt die Seuche allerdings nicht. Das Virus tötet Schweine auf der ganzen Welt, erreichte im Jahr 2014 Europa. Seit vier Monaten nimmt die Agrarunion Kogel deshalb am sogenannten ASP-Programm des Landes teil, das zur Früherkennung beiträgt. Die Schweine in Kogel stehen stärker unter Beobachtung als jene aus Betrieben ohne ASP-Monitoring. Kati Schiffler hofft, dass das Prädikat „ASP-frei“ ihrem Unternehmen einmal sehr nützlich sein wird. Mehr kann ein Landwirtschaftsbetrieb nicht tun.

Für alles andere, sagt Jörg Brüggemann, ist die Politik zuständig. „Der Wildschweinbestand muss runter. Es werden immer mehr, die Ausbreitung muss verhindert werden.“ Allerdings seien die Jäger wenig motiviert, Wildschweine zu erlegen. Die Kühlhäuser seien voll, das Fleisch verkaufe sich schlecht. „Da muss es einen Anreiz geben, eine Kopfprämie. Die Jäger dürfen es kaum erwarten können, abends endlich in den Wald zu kommen.“ Außerdem seien die Veterinärämter viel zu schlecht besetzt. Da müsse aufgestockt werden.

Agrarminister sieht den Bund in der Pflicht

Landes-Agrarminister Till Backhaus (SPD) sieht die Bundesregierung in der Pflicht. Schließlich sei die Schweinepest ein bundesweites Problem. Anders als bei der Corona-Pandemie habe man Zeit zur Vorbereitung gehabt, diese jedoch nicht genutzt. „Wir wissen von der europäischen Schweinepest, dass die finanziellen Folgen für Deutschland dramatisch sein werden – mit Sicherheit im hohen Milliardenbereich. Deswegen appelliere ich dringend, jetzt konsequent und gemeinsam zu handeln. Damit meine ich Bund, Länder und Europa. ASP darf nicht länger als ein regionales Problem abgetan werden.“

Speiseplan ändern?

Ein durchgehender Doppelzaun an der polnischen Grenze sei das Mindeste, was zu tun ist. Außerdem müssten Absatz- und Verwertungs­möglichkeiten für Schweine- und Wildschweinfleisch eröffnet werden. Auch über Unterstützung für Betriebe, die zeitweilig oder endgültig die Schweinehaltung einstellen, müsse nachgedacht werden. Sogar die Verbraucher können laut Jörg Brüggemann etwas tun, um den deutschen Fleischmarkt zu retten: Mehr Schwein essen.